Micaela Jary: Bild der Erinnerung ⭐️⭐️⭐️⭐️

Einem Münchner Auktionshaus wird ein Bild des berühmten impressionistischen Malers Leo Reichenstein angeboten, das 70 Jahre als verschollen galt. Die junge Kunsthistorikerin Anna Falkenberg hat Zweifel an der Echtheit des Gemäldes. Ihre Nachforschungen führen sie zur Galerie Richardson in London … und zurück in das besetzte Berlin der Nachkriegszeit. (Verlagsinfo)

Es ist ein hochinteressanter Plot. Zum einen, weil er zwei Zeitebenen miteinander verbindet. Zum anderen, weil er ein Thema aufgreift, das gerade zur Zeit im Fokus steht, nachdem bei dem Kunsthändler-Sohn Gurlitt verschwunden geglaubte Gemälde entdeckt wurden: Die Rettung bzw. den Handel mit Kunstschätzen im Deutschland der Nachkriegszeit.

Leo Reichenstein ist eine fiktive Figur. Aber mit viel Einfühlungsvermögen und – soweit ich das beurteilen kann – gut recherchiertem Wissen schildert Jary die Kunstszene. Ohne diesen Part allerdings zu sehr zu strapazieren. Schließlich spielt die Liebe eine große Rolle: Die Liebe zweier jugendlicher Berlinerinnen in der zerbombten Stadt, der Liebe der jungen Kunsthistorikerin Anna Falkenberg. Vor allem dieser Part war eigentlich der unwichtigste für mich. Anna bleibt im Gegensatz zu Fee und Brigitte im Nachkriegsberlin eine blasse Figur.

Spannend sind die Schilderungen des Lebens im Nachkriegs-Berlin.

Zu einem ist zu spüren, dass sich die Autorin in der Stadt auskennt. Aber es ist ihr mit großer Empathie gelungen, das damalige Lebensgefühl einzufangen (soweit ich auch dies beurteilen kann, ich war nicht dabei, aber diese Kapitel haben mich sehr in den Bann gezogen). 

In der Gegenwart führt der Weg dann bis nach St. Ives in Cornwall. Hier leben die Großeltern des englischen Kunsthistorikers Oliver Richardson: Er wusste, „das gerade das Licht in St. Ives seit fast hundert Jahren Maler anzog.“ Die Atmosphäre und das Licht an diesem Ort sind in der Tat einmalig, das habe ich selbst erlebt. Auch hier hat Micaela Jary die Stimmung gut getroffen.

Der Autorin gelingt es, den Leser lange im Ungewissen darüber zu lassen, was mit dem „Bild der Erinnerung“ tatsächlich geschehen ist und wie alle Fäden zusammen laufen. Damit ist Lesegenuss bis zum Schluss garantiert.

Fazit

Nachdem ich mit dem Lesen begonnen hatte, war ich total gefesselt. Micaela Jary versteht es, die Spannung bis zu Letzt zu halten. Es gibt ein paar Kleinigkeiten, die mich davon abhalten, fünf Sterne zu geben. Anna Falkenbergs Weg zu dem Kunsthändler, die manchmal verwirrende Verbindung zwischen einst und jetzt. Aber es sind wirklich nur Kleinigkeiten … und vielleicht doch eher fünf als vier Sterne.

Zur Autorin

Micaela Jary stammt aus Hamburg und wuchs im Tessin auf. Nach einem Sprachenstudium absolvierte sie ein Zeitungsvolontariat und arbeitete viele Jahre als Redakteurin, bevor sie sich ganz der Schriftstellerei widmete. Geschichte und Geografie sind ihre liebsten Themen, ihre Faszination gilt dabei vor allem Süd- und Ostafrika. Sie hat eine erwachsene Tochter und lebt nach einem langjährigen Aufenthalt in Paris heute mit Mann und Hund in München und Berlin.

Micaela Jary, „Bild der Erinnerung“

292 Seiten, 9.99 Euro, Goldmann, VÖ 16. September 2103

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