Was ist mit den Engeln los? Statt ihre freudigen Botschaften zu verkünden, befördern sie Menschen, ohne zu zögern, ins Jenseits. Weihnachtsfeiern geraten außer Kontrolle, Menschen sterben unterm Tannenbaum. Überhaupt ist die erste Riege bekannter deutscher Krimiautorinnen nicht zimperlich, wenn es darum geht, uns das Fürchten zu lehren – sie machen kurzen Prozess. (Verlagsinfo)

Rachsüchtige Ehefrauen, wehrhafte Rentner, fanatische Fans – in dieser Anthologie zeigt sich Weihnachten von seiner mörderischen Seite. Das ist gewissermaßen erfrischend, quasi ein deftiger Schweinebraten neben der vielfach süßlich-zuckerigen Weihnachtslektüre. Unter den zahlreichen weihnachtlichen Krimi-Anthologien ragt diese heraus: Alle Geschichten sind gut, einige großartig, alle stammen von der aktuellen, ersten Garde der deutschen Krimi-Autorinnen. Der Titel trifft dann den Tenor des Buches auch bestens.
Himmlische Gerechtigkeit
In der Überzahl sind die frustrierten Frauen, meist Ehefrauen, die raffinierte Wege finden, sich ihrer langweiligen oder ignoranten Männer zu entledigen. So hatte Emilia den achtzehn Jahre älteren Vito zwar geheiratet, weil er vermögend war. Sie hatten Geld im Überfluss, aber das war auch alles. So hatte sich Emilia ihr Leben nicht vorgestellt. … Er saß in seinem Sessel mit dem Telefon am Ohr, kommandierte Emilia herum und tat nichts mehr. Die Protagonistin von Sabine Thiesler findet nach vielen Jahren der Unterdrückung einen Weg, den ungeliebten Gatten ins Jenseits zu befördern – und auf dem Totenschein steht schlicht Herzversagen.
Ähnlich bei Nina George: Herzinfarkt beim Sex, jeder würde Roald um diesen Tod beneiden. Erst kommen, dann gehen – so ein Tod, ja der war wie ein Geschenk zur Bescherung. Und Gisa Paulys Protagonistin wünscht sich ein Weihnachtsfest ohne Geschenketerror, ohne den stundenlangen Aufenthalt in der Küche, ohne ungeliebte Gäste. Weil Ehemann und Schwiegermutter da aber nicht mitspielen, kommt es zu einer Reihe unglücklicher Unfälle – und als Leserin ist man mal wieder überrascht über die mörderische Kreativität der Schreiberinnen. In letzterem Fall überfällt die Autorin aber am Ende eine moralische Anwandlung, die nicht unbedingt hätte sein müssen.
Einfach genial ist der Plot von Annette Petersen. In diesem Fall erfährt der Enkeltrick eine unerwartete Wendung. Himmlische Gerechtigkeit widerfährt der Protagonistin von Susanne Mischke: In dieser Geschichte hat eine Nahtoderfahrung ungeahnte Folgen – unter anderem leert eine alte Dame mit ihrem Engel zwei Flaschen Burgunder und schaut sich mit ihm „Das Leben Brian“ auf DVD an.
Fazit
Cornelia Kuhnert hat eine großartige Auswahl getroffen.
„Eiskalte Weihnachtsengel“, Cornelia Kuhnert (Hsg.)
256 Seiten, 8.99 Euro, Heyne (nur noch al eBook), VÖ 14. Oktober 2013
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