Sylt im 18. Jahrhundert: Die junge Maren lebt als Tochter eines Fischers in Rantum. Ihre Zukunft liegt klar vor ihr: Sie wird Thies Heinen heiraten, mit dem sie aufgewachsen ist. Doch plötzlich hält der mächtigste Mann der Insel um ihre Hand an: Kapitän Rune Boys. Maren wagt das Undenkbare. Sie lehnt ab. Als ihre Familie jedoch nach einem Sturm finanziell ruiniert ist, muss sie ausgerechnet Boys um Hilfe bitten. Er macht ihr einen ungeheuerlichen Vorschlag: Sie soll mit ihm auf Walfang gehen, danach seien alle Schulden beglichen. (Verlagsinfo)
„In den Dünentälern fand man Glockenheide und seltener auch Lungenenzian, aus dem Heiltränke gemacht wurden. Auch Sanddorn wuchs dort, den die Sylter zu Punsch, Marmelade und Saft verarbeiteten. Ansonsten war die Landschaft karg und nicht gerade mit Farben verwöhnt. Und schon gar nicht im Januar.“
Alles Lebensnotendige musste der Natur damals mühsam abgerungen werden – und daher waren die Menschen auch auf gegenseitige Unterstützung angewiesen. Und auf das Meer.
„Heute haben wir Äpfel, und morgen, wenn wir Glück haben, werden Schiffsteile angespült. Gute Planken, Maststücke, Dielen. Dann haben wir auch wieder etwas zum Heizen.“
Holz war rar. Und schon Wochen vor dem Biike-Feuer wurde darum intensiv Treibholz gesammelt. Es gab keine Versicherung gegen Sturmschäden, es gab keine Touristen, die Geld brachten. Diese Lebensumstände sind hervorragend beschrieben. Ebenso wie die Szenen auf dem Walfänger.
Umso weniger passend ist manchmal das Verhalten der Protagonistin, der jungen Maren.
„Sie war hübsch. Ja, das war sie mit ihren grauen Augen und dem langen Blondhaar. Aber sie war auch eigensinnig. Keine Frau für einen, der das Befehlen gewohnt war.“
Ihre Eltern haben ihr immer ihren Willen gelassen – etwas Ungewöhnliches zu jener Zeit und noch dazu für eine Frau. Und so lehnt Maren den sehr schmeichelhaften Heiratsantrag ab. Denn Rune Boys ist ein wohlhabender Mann.
„Boys kann dir alles bieten, was du brauchst. Und nicht nur jetzt, sondern auch in der Zukunft. Du kannst Kinder haben, ohne Angst, sie nicht ernähren zu können. Sie würden in warmen Betten schlafen, und wenn sie einmal krank wären, würdet ihr einen Arzt rufen. Es geht nicht nur um Liebe. Es geht um mehr: nämlich um das ganze Leben.“
Doch auch die eindringlichen Worte ihrer Eltern bringen Maren Entscheidung nicht ins Wanken. Ein klassischer Liebesroman ist das Buch nicht, auch wenn Marens Liebe für Thies eine große Rolle spielt.
Fazit
Eine Frau auf einem Walfänger? Das scheint unwahrscheinlich. Für alle, die historische Hintergründe lieben, ist dieses Buch lesenswert. Denn Ines Thorn hat die harten Lebensverhältnisse auf der nordfriesischen Insel im 18. Jahrhundert sehr anschaulich und mit zahlreichen Details beschrieben, wie sie nur sehr selten zwischen zwei Buchdeckeln zu finden sind. Allerdings ist das Verhalten der Protagonisten manchmal unpassend. Darum nur vier Sterne.
„Die Walfängerin“, Ines Thorn
336 Seiten,14.99 Euro, Aufbau Taschenbuch (atb) , VÖ 17. Februar 2017