Rezension – Micaela Jary: Die Villa am Meer

Bewertung: 4 von 5.

Rostock-Warnemünde 1897: Katharinas Hochzeit mit dem verwitweten, wesentlich älteren Manufakturbesitzer und Korbmacher Olaf Borchers steht unter einem schlechten Stern: Nicht nur, dass ihr Herz einem anderen gehört, Borchers halbwüchsiger Sohn ist nicht einverstanden mit der neuen Frau seines Vaters und torpediert die Ehe von Anfang an. Dennoch tut Katharina ihr Bestes, um mit ihrem Mann glücklich zu werden. Doch das ändert sich an dem Tag, an dem sie Pläne für ein eigenes Geschäft macht – einen Strandkorbverleih an der Ostsee. (Verlagsinfo)

Die Erfindung des Strandkorbs

„Meine Geschichte beruht auf historischen Tatsachen“, schreibt die aus Hamburg stammende Autorin Micaela Jary. Es geht um die Erfindung des Strandkorbs und seinen Siegeszug von Rostock-Warnemünde aus, für den eine Frau verantwortlich war. Die Idee kam der Autorin in Büsum, wo sich 2014 Delia, die Vereinigung deutschsprachiger Liebesromanautoren – und Autorinnen, traf.

In der Tourist-Information von Büsum gab es seinerzeit einen ausrangierten Strandkorb, der – mit Brettern ausgestattet – zum Bücherregal umfunktioniert worden war, was ich sehr passend fand. Das gab den Anstoß zu meiner Recherche.

Micaela Jary

Der eigentliche Erfinder war zwar ein Mann – Wilhelm Bartelmann. Aber Micaela Jary hat wieder für viel Lokalkolorit gesorgt. Exakt beschreibt sie die Gegebenheiten in Warnemünde. Die Explosion einer Munitionsfabrik am 10. Februar 1917 in Quickborn spielt eine Rolle. Ebenso die Flugversuche auf dem Warnemünder Flugplatz Hohe Düne, von wo ab 1919 die ersten zivilen Linienflüge nach Berlin-Johannisthal und Kopenhagen starteten.

Strandkörbe finden sich inzwischen an zahlreichen deutschen Stränden – so wie hier auf Föhr. Foto: Wolfgang Henze

„Warnemünde war einst ein unbedeutendes Fischerdorf an der Ostsee gewesen, dann wurde es zu einem bedeutenden Hafen der Segelschifffahrt, und seit der Adel und das vornehme Bürgertum eine gewisse Begeisterung für das sogenannte Luftbaden und die See gewonnen hatten, entwickelte sich der Fremdenverkehr. Inzwischen kamen auf die mehrere tausend Einwohner zählende Gemeinde mindestens ebenso viele Besucher, Hotels und Pensionen entstanden an der Seestraße mit Blick über den breiten, endlos wirkenden weißen Sandstrand und die Ostsee, an der Vorderreihe am Alten Strom wurden in den kleinen aneinandergeschmiegten Kapitänshäusern zahlreiche Ferienwohnungen mit dem Luxus einer eigenedern Küche vermietet.“ (Zitat)

Der Alte Strom in Rostock-Warnemünde. Foto: Sabine Sopha

Diese große historische Exaktheit ist ein Plus des Romans. Auch ist ihre Frauengestalt sehr realistisch. Katharinas Bemühungen um Selbstständigkeit neben ihrer Aufgabe als Mutter von zwei Söhnen passen in die Zeit. Aber die Figur trägt nicht uneingeschränkt sympathische Züge. Das wiederum macht eine Identifikation schwer. Auch Katharinas Gegenpart, die Frau ihres Geschäftsführer und ehemaliger Liebe Joachim, weckt eher Widerwillen als Sympathie. Allerdings ist auch ihre Situation für die damalige Zeit nicht ungewöhnlich: Wie viele Frauen heiratet sie, um gut versorgt zu sein, liebt die gesellschaftliche Stellung ihres Mannes mehr als den Menschen. Ohne Mann kann sie sich nur mühsam durchschlagen – das zeigt sich später. 

Fazit

Katharinas Bemühungen um Selbstständigkeit, ihr Erfolg als Strandkorbvermieterin und  die gesellschaftlichen Veränderungen lassen ein lebendiges Bild der damaligen Zeit entstehen.

Micaela Jary, „Die Villa am Meer“

512 Seiten, 9.99 Euro, Goldmann Verlag, VÖ 20. März 2017

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