Rezension – Anja Goerz: Wenn ich dich hole

Bewertung: 5 von 5.

Wegen eines Unwetters sitzt Bendix Steensen in Heathrow fest. In immer kürzeren Abständen erhält er Anrufe seines neunjährigen Sohnes Lewe, die allmählich panisch klingen: Seit Stunden sind Mama und Oma nun schon fort, am Handy meldet sich niemand, er hat Angst, in dem abgelegenen Haus in Niebüll nicht mehr allein zu sein. Bendix alarmiert die örtliche Polizei. Doch obwohl diese nichts Verdächtiges feststellt, versucht er alles, um auf schnellstem Weg nach Nordfriesland zu kommen. Eine schier endlose Reise, zusätzlich erschwert durch Schnee und Sturm. Derweil haben seine Frau und Mutter einen ganz anderen Kampf zu kämpfen. Und Lewe ist tatsächlich nicht mehr allein …(Verlagsinfo)

Details

Lewe allein zu Haus am Deich in Nordfriesland. Das ist unheimlich, wenn man neun Jahre alt ist und aus der Großstadt stammt. Es ist nervenaufreibend, wenn mal als Vater auf dem Flughafen in London festsitzt und die Ehefrau nicht ans Telefon geht – seit Stunden schon nicht.

„Kilometerweit um das Haus herum lagen nur Wiesen und Felder. Nach vorne hinaus gab es eine schmale Betonstraße, die nach Rodenäs führte und in der anderen Richtung nach Dänemark.“ 

Für einen Jungen aus der Großstadt eine ungewohnte Situation. 

„Die nächsten Häuser waren ganz schön weit weg. Mit dem Fahrrad war man immer eine Weile unterwegs.“ 

Ganz nah sind dafür die Wattwiesen und der Deich. In dem Haus seiner Oma ist Lewe Steensen allein mit Hund Albert. Mutter und Oma wollten einkaufen. Stundenlang wartet er verzweifelt auf ihre Rückkehr.

Anja Goerz baut eine düstere Atmosphäre auf, schildert Nordfrieslands ungemütliche Seite sowie sehr gut nachvollziehbar die Hilflosigkeit von Vater Bendix. Mit ihrem Thriller kehrt Autorin Anja Goerz in ihre alte Heimat zurück, ähnlich wie Bendix Steensen. Nur, dass auf ihn viele böse Überraschungen warten.

Das Buch schildert die Situation aus dem Blickwinkel des wartenden Jungen, aus der hilflosen Perspektive des Vaters,  aus der scheinbar ausweglosen Situation der Mutter – und aus der von Henrike, deren Rolle sich erst nach und nach erschließt. Dann ist da noch Dorfpolizist Bruno Behrend, der seiner eigenen Intuition nicht traut und unter der Fuchtel seiner Frau steht. „Und du glaubst also, die Schwiegertochter von Frau Steensen hat ein Verhältnis mit einem Nachbarn und liegt behaglich in der Scheune?“, fragt er seine Frau, um hinzu zufügen. „Ist ‘n büschen schwierig da draußen…“

Anja Goerz stammt aus Nordfriesland. Wenn der Wind heult und Schneematsch die Straßen in Rutschbahnen verwandelt – dann wird’s ungemütlich. Goertz hat die Gegebenheiten kenntnisreich beschrieben ebenso wie Landschaft und Menschen.

Fazit

Am Ende kommt es zum Show-Down in dem einsamen Haus am Deich. Und die letzten Zeilen sorgen noch einmal für Gänsehaut. Wer meint, Nordfriesland zu kennen, erlebt es hier eiskalt und unheimlich.  

„Wenn ich dich hole“, Anja Goerz

256 Seiten, 14,90 Euro, dtv, VÖ 7. April 2017

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