Rezension – Michael Jensen: Totenland

Jens Druwe, Band 1 ◾️

Bewertung: 5 von 5.

Ende April 1945. Der Krieg geht zu Ende. Nachdem er schwer verwundet wurde, ist Jens Druwe aus Berlin nach Schleswig-Holstein abkommandiert worden. Hier soll er als Polizist für Ordnung sorgen. Als ein hoher Funktionär der NSDAP ermordet wird, wollen seine Vorgesetzten sogleich den ersten Verdächtigen, einen entflohenen Häftling, aburteilen. Doch Druwe stellt sich gegen die Profiteure des untergehenden Regimes. Ihm zur Seite steht allein die Schwester des Verdächtigen, die wie er voller Mut und Hoffnung den Kampf gegen einen übermächtigen Gegner aufnimmt.  Ein Mordfall vor einer ungewöhnlichen historischen Kulisse – und ein Ermittler, der dem Grauen des Krieges eines entgegenhält: die Liebe zur Wahrheit. (Verlagsinfo)

„Das Geschehenlassen ist ein Teil der Tat. Und das Nicht-Widersprechen ist Teil der Zustimmung.“

Zitat aus dem Buch

Ein Satz, der sich auf viele Situationen anwenden lässt. In diesem Fall geht es um die Verantwortung der Deutschen während der Nazi-Zeit. Ort der Handlung: Flensburg und Umgebung. Zeitpunkt: Wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Haupt-Protagonisten: Polizist Jens Druwe und die Schwester eines Sozialisten. 

Schon das Intro hat es in sich. Jensen formuliert knapp, aber treffend, wenn er vom Marsch der KZ-Häftlinge von Hamburg gen Norden schreibt: „Knochenmänner. Todgeweihte. Tote. Der Aprilmorgen war kalt. Aus den Hecken und Gräben griffen Nebelfinger nach den mageren Knöcheln der Häftlinge. Jeder Schritt schien ihnen noch den letzten Rest leben auszusaugen.“

Unter den Häftlingen ist der Rote Ludwig, Ludwig Steinfeld, Kommunist: Zwölf Jahre hat er in Kolafu verbracht – im Konzentrationslager Fuhlsbüttel. Zwölf Jahre ohne jeden Prozess. Er flieht, macht sich auf den. Weg Richtung Schleswig zu seiner Schwester – Eva Steinfeld, die all die Jahre zu ihm gestanden hatte. Beide haben nie die Hoffnung aufgegeben, beide glauben nach wie vor an das Gute im Menschen.

Ganz anders als Jens Druwe. Er sitzt in einem Dachzimmer in der Nähe des Glücksburger Schlosses, seine Gedanken sind hoffnungslos bis zynisch: „Glücksburg. April 1945. Der Arsch der Welt. Und er steckte mitten drin.“ Seit einem Jahr ist der der ehemalige Mordermittler aus Berlin-Mitte nun Revierleiter der dortigen Polizeidienststelle und fragt sich: „Was sollte er hier? Flensburg-Land war das genaue Gegenteil von dem, was er gewohnt war. Schlägereien im Satruper Krug oder Koppelschäden in Großsolt“.

Als Gerhard Lessling, stellvertretender Kreisleiter von Flensburg-Land, tot aufgefunden wird, beginnt er zu ermitteln. Es gilt, eine wichtige Mappe zu finden. Die Nazis wollen zu Dönitz schaffen, „der sitzt mit seinem Stab in einem sicheren Kaff im Norden. Plön in Schleswig-Holstein.“ Damit gerät Druve in einen gefährlichen Strudel, entdeckt aber auch wieder die Liebe.

Das Buch ist kein simpler Krimi, sondern ein Psychogramm der damaligen Zeit. Der Autor (Michael Jensen ist ein Pseudonym) ist Arzt und Therapeut. Er hat sich mit den Spätschäden des Krieges beschäftigt. Jensen will nicht belehren, sondern zeigen, wie schwierig es ist, Menschen und ihre Handlungen zu verstehen. 

Durch die Verbindung mit realen Orten rücken die geschichtlichen Ereignisse plötzlich ganz nahe an das eigene Leben. Besonders, wenn man im Norden aufgewachsen ist. So kommt der junge Druve aus dem nordfriesischen Leck als junger Rekrut vor dem Ersten Weltkrieg in eine Rendsburger Kaserne am neuen Kaiser-Wilhelm-Kanal. Der Tote wird in Kattrup in der Nähe von Mohrkirch gefunden. Der Partei-Bonze lebt in einem Haus in Schausende (bei Glücksburg). Am Flensburger Hafen treffen täglich Flüchtlinge ein. 

Das Buch ist kein simpler Krimi, sondern ein Psychogramm der damaligen Zeit. Der Autor ist Arzt und Therapeut. Er hat sich mit den Spätschäden des Krieges beschäftigt. Jensen will nicht belehren, sondern zeigen, wie schwierig es ist, Menschen zu verstehen.

Fazit

Aufwühlend, nachdenklich stimmend und packend. Besser kann man ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte kaum beschreiben. 

„Totenland“, Michael Jensen

Ein Jens-Druwe-Roman (Inspektor Jens Druwe, Band 1)

400 Seiten, 11 Euro, atb, 17.10.2019, VÖ 17. Oktober 2019

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