Ein erfrischend anderer Weihnachtsroman 🟥
Lena wünscht sich zu Weihnachten nur eines: eine Mama. Doch nicht irgendeine, sondern ihre eigene. Die kennen jedoch weder Henriette Jonas, Leiterin des Kinderheims St. Emmaus, noch Erzieher Lukas. Doch in diesem Jahr wird alles anders, als ein schräger Aushilfsweihnachtsmann nicht nur das Waisenhaus durcheinanderbringt, sondern auch Henriette den Kopf verdreht, Lukas ein Date verschafft und Lena ein Versprechen macht. Die Zeit drängt, denn bis zum Fest sind es nur noch wenige Tage. (Verlagsinfo)
Natürlich geht es um Liebe, Freundschaft, Vertrauen. Schließlich ist dies ein Weihnachtsroman. Aber er ist erfrischend anders als viele Bücher dieses Genres. Das zeigt sich schon daran, dass die Rentiere des Weihnachtsmanns weiblich sind, und ein ehemaliger Rocker in den roten Rock des Gabenbringers schlüpft.
Anfangs muss man ein wenig Geduld aufbringen, bevor fünf Stränge mit der Vorstellung der Hauptpersonen zu einem werden. Schön schräg und der Held dieser Geschichte ist Manni, ein ehemaliger Rocker. Mit einer Ratte als Haustier lebt er auf einem Schrottplatz. Für ihn gilt: harte Schale, weicher Kern. Darum kann er der kleinen Lena nicht widerstehen. Er bringt auch das Weichei Lukas auf den rechten Weg, damit er seine von ferne Angebetete endlich in die Arme schließen kann. Manni wiederum wird von der patenten Heimleiterin Henriette in eine ganz ungewohnte Rolle gedrängt.
»Hast du jemals ein Rentier mit Glatze gesehen?«, wollte die Chefin wissen. Manni schüttelte den Kopf. »Siehst du! Das ist der Beweis. Männliche Rentiere werfen jeden Herbst ihre Geweihe ab.« Die anderen Damen nickten zustimmend. »Wir Frauen aber erst im Frühling. Darum, Manni, sind die Rentiere des Weihnachtsmanns immer weiblich. Und all diese blöden Namen wie Rudolph, Comet und Cupid, Dasher und Dancer sind somit kompletter Unsinn. Ich heiße übrigens Renate!«
Es schneit und duftet nach Plätzchen. Dass dieser Roman dennoch nicht süßlich gerät, ist Manni zu verdanken, der infernalisch laut Hardrock hört, von einer Tour auf der Route 66 träumt und überhaupt nichts von Weihnachten hält. Dass er sich dennoch auf eine besondere Mission begibt, ist Renate zu verdanken (siehe Textauszug).
Renate lernt Manni kennen, als er einen Joint geraucht hat. Also alles nur Einbildung? So wie die Rentiere, die am Ende für einen glücklichen Ausgang einer Verfolgungsjagd im Schnee sorgen? Das darf jeder für sich selbst entscheiden …
Der Titel des Buches ist meiner Meinung nach nicht ganz glücklich gewählt, denn er gibt keinen Hinweis auf das Besondere der Geschichte, ist zu allgemein gefasst. Aber das sollte niemanden von der Lektüre abhalten.
Fazit
Anja Marschall gelingt mit der großartigen Geschichte eine Gratwanderung zwischen Märchen und Realität. Absolute Leseempfehlung!
„Tage voller Weihnachtszauber“, Anja Marschall
367 Seiten, 10 Euro, Lübbe TB, VÖ 30. September 2020