Rezension – Annette Böhler: Weihnachtsküsse am Leuchtturm

Bewertung: 4 von 5.

Cover und Titel stimmten mich skeptisch. Das Buch schien mir ein kitschiger Liebesroman zu sein. Aber: Ein Leuchtturmwärter in Travemünde? Das wiederum machte mich neugierig. Und was soll ich sagen ­– geküsst wurde erst im letzten Drittel! Von Kitsch keine Spur.

Nina (25) stammt aus Wien, hat Rechtswissenschaften studiert und ist ein rationaler, analytischer Typ. Dass sie arbeitslos ist, nagt heftig an ihrem Selbstbewusstsein. 

Das Start-up, in dem Nina eben noch Karriere machte, geht kurz vor Weihnachten pleite. Nun steht sie ohne Arbeit und Einkommen da. Frustriert flieht sie nach Travemünde. Barfuß watet sie bei Minusgraden im Meer, landet bäuchlings im Wasser und trifft auf Mika, den Leuchtturmwärter mit den komplizierten Ansichten rund um Zero Waste und Nachhaltigkeit. Sie verliebt sich in den gut gebauten Kerl, der an Zeichen aus dem Universum glaubt. Aber lässt sich Ninas Wunsch nach Erfolg und Luxus mit dem reduzierten Leben im Leuchtturm vereinbaren? (Verlagsinfo)

„Vor Monaten noch war ich so stolz auf mich und meinen Job gewesen. Und jetzt? Jetzt war es mir peinlich, keinen Job zu haben. Aber hatte ich mich dadurch verändert? War ich eine andere? Nein! Obwohl ich jetzt öfter schlechte Laune hatte und natürlich kaum Geld.“

Im Gegenteil, sie hat Schulden. Ihr letztes Geld verwendet sie sie für die günstigste Bahnfahrkarte, die sie bekommen kann – und landet auf diese Weise in Travemünde an der Ostsee.

Von Annette Böhler hatte ich noch nie etwas gehört und gelesen. Die Autorin kommt aus Österreich. Sie lebt mit ihrem Ehemann und ihren beiden Töchtern in Vorarlberg. Ihre Texte und Kurzgeschichten wurden in verschiedenen Anthologien abgedruckt. Die Veröffentlichung ihres Debütromans läutete ein neues Kapitel in ihrem Leben ein. Seit 2020 lebt sie als freie Autorin und schreibt für den Empire-Verlag. Davor war sie als Wertpapierspezialistin imBankensektor tätig (Verlagsinfo). 

Ihr Retter macht Nina mit Travemünde und norddeutscher Küche bekannt. Labskaus ist bekanntermaßen nicht jedermanns Sache.

„Ich war mir nicht sicher, was ich von dem Brei, der da vor mir stand, halten sollte. Es sah komisch aus, es roch auch komisch und alles in mir sträubte sich, es zu probieren.“

Mika lebt im Haus neben dem Leuchtturm. Das gibt es tatsächlich. Und wie im Buch beschrieben, ist in dem ehemaligen Leuchtfeuer inzwischen ein Museum untergebracht. Dessen Wärter ist Mika. Ob es tatsächlich eine Travemünder Leuchtturmwärter-Familie gegeben hat, ist mir nicht bekannt. Doch die Beschreibungen des Turmes sind realistisch und lassen sich hier nachlesen:

http://www.leuchtturm-travemuende.de

http://www.deutsche-leuchtfeuer.de/ostsee/travemuende.html

https://www.travemuende-tourismus.de

Der kalte Wind, die klare Luft ­– das ist für Nina ungewohnt. Aber ebenso die Lebenseinstellung von Leuchtturmwärter Mika. Für den ist es nicht entscheidend, was für einen Job sie hat. Aber für Nina ist es schwierig, das nachzuvollziehen. Außerdem findet sie es ausgesprochen merkwürdig, dass Mika Botschaften ans Universum sendet. Erfolg ist für ihn nicht wichtig, sondern Zeit.

„Mir wurde … klar, dass wir alle nur eine begrenzte Menge an Zeit auf diesem Planeten haben. Zeit, die unwiederbringlich jede Sekunde schwindet. Eine unersetzbare Ressource, wenn sie einmal verbraucht ist.“

Diese Erkenntnis führt zu einem sehr bewussten Lebensstil, der für die karriereorientierte Nina etwas völlig Neues ist. Daher reist sie zurück nach Wien.

Fazit

Ja, eine Liebesgeschichte, jedoch mit fast philosophischem Hintergrund und einem cleveren Ende. Die Einstellung von Mika spricht mir aus der Seele. Ich habe diese Lektüre sehr genossen. Vier funkelnde Sterne!

„Weihnachtsküsse am Leuchtturm“, Annette Böhler

212 Seiten, 12.99 Euro, Empire Verlag (Nova MD), VÖ 18. November 2021

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