Josi träumt seit ihrer Kindheit davon, mit einem alten Bulli Europas Küsten zu erkunden. Paul hingegen entscheidet sich spontan für einen Roadtrip, um seinem festgefahrenen Alltag zu entfliehen. Beide sehnen sich nach grenzenloser Freiheit und unvergesslichen Erlebnissen. Ihre Wege kreuzen sich. Erst zufällig, dann absichtlich und immer öfter. Auf ihren Routen hinterlassen sie sich gegenseitig kleine Botschaften und lernen dabei nicht nur einander, sondern auch sich selbst besser kennen. Ein ganzes Jahr lang Sommer mit einsamen Stränden, versteckten Buchten und malerischen Orten. Und eine unerwartete Freundschaft, die vielleicht noch so viel mehr sein kann? (Verlagsinfo)
Einmal Aussteigen aus dem Hamsterrad
Ein Sabbatjahr einlegen. Aussteigen. Neue Wege gehen. Immer öfter und immer mehr Menschen sind unzufrieden mit dem Hamsterrad, suchen nach neuen Perspektiven. Das ist auch der Antrieb für Josi, die sich in ihrem Job als Polizistin ausgelaugt fühlt:
„Müde von meinem Ehrgeiz, etwas ändern zu wollen. Müde davon, permanent das Gefühl zu haben, zu spät zu kommen. Es ist, als könnte ich immer nur die Scherben zusammenkehren.“
Der Unterschied zum spontanen Aussteiger Paul: Die 30-Jährige hat ihre Reise seit vielen Jahren akribisch geplant.
Van-Life lautet das Stichwort, unter dem zahllose Blogs und Einträge in den sozialen Medien zu finden sind. Auch Josi und Paul zelebrieren diese Art des Reisens. Sie haben einen alten VW-Bus (Josi) und einen 84er Toyota Land Cruiser (Paul) umgebaut. Himmelblau lackiert der Bulli, knallrot der Landy. Die Autos sind Transportmittel und Wohnort zugleich. Gecampt wird möglichst an naturnahen Orten und nicht auf Campingplätzen.
Geschildert wird die Reise entlang der Küsten Europas (Frankreich, Portugal, Italien, Griechenland, Schottland) abwechselnd aus der Perspektive von Josi und von Paul. Das macht die Geschichte abwechslungsreich und entbehrt manchmal nicht einer gewissen Komik, weil auf diese Weise deutlich wird, dass sie sich vielfach missverstehen. Beziehungsweise nicht trauen, ihre wahren Gefühle und Gedanken anzusprechen. Dieses Zaudern nervte mich allerdings irgendwann auch. Nun habe ich allerdings 35 Jahre mehr Lebenserfahrung als Josi und würde nicht mehr so viel Zeit verschwenden.
Und dann natürlich immer wieder das Meer. Es fasziniert Josi. Ebenso wie die Autorin, wovon man sich auf ihrer Homepage und ihrem Blog überzeugen kann. Beides absolut lesenswert.
Es ist wohl auch viel persönliche Erfahrung eingeflossen, denn Franzsika Jebens und ihr Mann sind oft mit einem alten Landrover unterwegs.
Van Life
Als ehemalige Wohnmobilistin kenne ich die Szene der Reisenden ganz gut, bin allerdings zwiegespalten gegenüber den sogenannten „Freistehern“. Das sind jene, die auf Komfort verzichten und in der freien Natur übernachten. Denn allzu oft sind dies Reisende, die diese Form aus Geldmangel und nicht aus Überzeugung wählen. Und die nicht sorgsam mit der Natur umgehen. Außerdem wird es in Europa aufgrund der Zunahme an Wohnmobilen immer schwieriger, solche freien Plätze zu finden – an denen man dann auch keine Einheimischen stört. Über Reklame für diese Reiseform bin ich daher skeptisch. Allerdings kann ich den Wunsch nach dieser Art des Reisens und Lebens gut nachvollziehen und verstehen.
Fazit
Einige Passagen waren wunderschön, andere haben mich eher genervt (siehe oben). Ich bin ein wenig hin- und her gerissen. Alles in allem jedoch eine schöne Reise- und Liebesgeschichte.
Bewertung
Für das Thema (Aussteigen, Van Life) fünf Sterne.
Für die Gedanken zum Leben vier Sterne.
Allerdings manche Wendungen vorhersehbar, es gibt gedankliche Wiederholungen. Das sind nur drei Sterne.
Was mache ich nur insgesamt daraus? Ich gebe satte vier Sterne.
„Immer am Meer entlang“, Franziska Jebens
416 Seiten, 12.95 Euro, dtv, VÖ 16. März 2023
Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank. Meine Meinung hat dies nicht beeinflußt.