Es ist ein leicht melancholisches Buch, mit märchenhaften Elementen und einem hoffnungsvollen Ende. Ein Buch, dass besonders jene mögen und verstehen werden, für die Bücher ein existenzieller Bestandteil ihres Lebens sind. Carsten Henn hat die Spezies der Buchhändler, Buchliebhaber und Leser auf einfühlsame wie treffende Weise beschrieben.
Verlagsinfo
Es sind besondere Kunden, denen der Buchhändler Carl Christian Kollhoff ihre bestellten Bücher nach Hause bringt, abends nach Geschäftsschluss, auf seinem Spaziergang durch die pittoresken Gassen der Stadt. Denn diese Menschen sind für ihn fast wie Freunde, und er ist ihre wichtigste Verbindung zur Welt. Als Kollhoff überraschend seine Anstellung verliert, bedarf es der Macht der Bücher und eines neunjährigen Mädchens, damit sie alle, auch Kollhoff selbst, den Mut finden, aufeinander zuzugehen …
Das Buch
Was ist ein gutes Buch? Das ist eine Frage, die schon zu Beginn des Romans gestellt wird. Natürlich gibt es übergreifende Kriterien, aber letztlich sind es für jeden Menschen andere Faktoren. Carl Kollhoff kennt die Vorlieben seiner Kunden – und das zeichnet einen guten Buchhändler aus. Autor Carsten Henn bringt es treffend auf den Punkt: Die Kundin …
„…wollte, dass Sabine Gruber es wusste, weil sie eine Buchhändlerin war und dadurch von Natur aus mit einer gewissen Portion an hellseherischen Fähigkeiten ausgestattet sein musste“.
Es sind Passagen wie diese, die sehr viel Wahrheit enthalten. Sie wechseln mit wunderschönen, lyrischen Formulierungen, die Atmosphäre und Stimmung sehr gut einfangen. Kollhoff hält ein
Plädoyer für das gedruckte Wort („Weil es Dinge gibt, die auf keine andere Art besser ausgedrückt werden können.“) Und der Autor lässt ihn eine Typologie der Leser erstellen, die sehr amüsant ist:
Fische lassen sich in einem Buch treiben, Hasen lesen schnell und vergessen daher oft, was sie gelesen haben. Schildkröten lesen langsam und brauchen manchmal Monate für ein Buch. Besonders schön: Sie alle können sich in einen Kiebitz verwandeln, der nämlich schnell mal zum Ende springt.
„Für alle Buchhändlerinnen und Buchhändler: Selbst in Krisen versorgen sie uns mit einem ganz besonderen Lebensmittel.“
Widmung zu Beginn des Buches
Könnte noch endlos gelungene und schöne Passagen zitieren und Einfälle, die dieses Buch auszeichnen. Zum Beispiel kann Carl sich keine Namen merken. Daher ist die Stadt für ihn mit Personen aus Büchern bevölkert und seine Kunden erhalten ganz besondere Namen. Und auf seinem Klingelschild steht E.T.A. Kollhoff. In diesem Fall und weiteren ist es hilfreich, wenn man die entsprechenden Bücher oder Autoren kennt.
Dann ist da noch Schascha, ein vorwitziges und phantasiebegabtes Mädchen, das sich dem Buchspazierer anschließt. Bald hat er sich an ihre Begleitung und ausgefallenen Ideen gewöhnt. Der alte Mann und das Kind werden Freunde. Gemeinsam nutzen sie Bücher und ihr Buchwissen, um Kollhoffs Kunden zu helfen.
Fazit
Ganz, ganz wunderbar. Und unbedingt empfehlenswert!
„Der Buchspazierer“, Carsten Henn
224 Seiten, 15 Euro, Piper, VÖ 2. November 2020