Ein reicher Junggeselle, eine „alte Jungfer“ von 26 Jahren und etliche Verwirrungen – ein typisches Heyer-Setting, das wieder für vergnügliche Unterhaltung sorgt. ◾️
Verlagsinfo
England, 1816: Sir Waldo Hawkridge genießt sein Junggesellendasein in vollen Zügen – er ist in der feinen Gesellschaft ein gern gesehener Gast und wird für seine Eleganz, Sportlichkeit und Wohltätigkeit bewundert und geschätzt. Aber bisher ist es keiner Dame gelungen, sein Herz zu erobern. Als er ein Landgut in Yorkshire erbt, beschließt Sir Waldo zusammen mit seinem Neffen dorthin zu reisen. Die Ankunft der beiden Gentlemen stürzt die Damenwelt in helle Aufruhr. Allen voran die bildschöne und kokette Tiffany, die von ihrer Gouvernante Miss Ancilla nur schwer im Zaum zu halten ist. Wird sie das Herz des begehrten Junggesellen erobern?
Das Buch
Es sind wieder einmal wunderbare Charaktere, die Georgette Heyer hier geschaffen hat. Dabei dominiert nicht der Junggeselle (ein Korinther, genannt Der Unvergleichliche), aber sein Erscheinen in Yorkshire bestimmt die Handlung. Diese wird vor allem von Tiffany vorangetrieben, einer verwöhnten Göre – anders kann man die zwar wunderschöne, aber egoistisch-herzlose Erbin nicht bezeichnen. Denn wenn es nicht nach ihrem Kopf geht, wirft sie durchaus schon mal mit Standuhren.
„Selbst ihre schwarzen Locken über den geschwungenen Brauen ringelten sich natürlich. Wohl waren es die tiefblauen Augen hinter langen schwarzen Wimpern, die die Aufmerksamkeit zuerst erregten; aber schon der zweite Blick fiel auf eine kleine, gerade Nase, bezaubernd geformte Lippen und einen Teint, der an reife Pfirsiche erinnerte. Sie war erst siebzehn Jahre alt, aber ihre Figur wurde weder von Babyfett noch von unangenehmen Kanten entstellt. Und sobald sie den Mund öffnete, zeigte sie eine gleichmäßige Perlenreihe von Zähnen.“
Ansonsten gibt es die bei Heyer bekannte Paarung: Der erfahrene, tonangebende Gentleman und die für damaligen Verhältnisse alte Jungfer, in diesem Fall Sir Waldo Hawkridge (36) und die Erzieherin Ancilla Trent (26). Es gibt auch wieder den armen Verwandten, der vom reichen Gentleman unterstützt wird. Doch trotz ähnlichen Personen-Tableaus ist die Geschichte in sich einmalig.
Die Korinther Leserinnen von Regency-Romanen wird dieser Begriff geläufig sein, denn diese Art von Männern spielt immer wieder eine Rolle. „Dieser Begriff beschreibt den gut gekleideten Sportler. Ein Korinther war ein Mann, der sich im Allgemeinen in allen sportlichen Aktivitäten hervorgetan hat – einschließlich Fechten, Single-Stick, Boxen, Jagen, Schießen und Handhabung seiner Kutsche, einer Fähigkeit, die ihm die Zulassung in den Vier-Pferde-Club ermöglicht. Er wäre auch ein Mann mit gutem Charakter […] in der Lage, bei Almack zu bestehen.“ (Zitat von der Jane-Austen-Webseite)
Geschichte und Geographie
Es bringt Spaß, den genauen geographischen Schilderungen von Heyer zu folgen. Auf diese Weise habe ich schon so manche Region von England kennengelernt.
„Broom Hall war […] ein respektabler Wohnsitz mit ungefähr dreißig Schlafzimmern. Er stand zwar nicht in einem Park, aber die ihn umgebenden Grundstücke schienen sehr ausgedehnt zu sein. Nach Lady Lindeth‘ glaubwürdigen Informationen gehörte der größte Teil der Umgebung zu dem Landsitz.
[…] Broom Hall gehörte zu einer Pfarre, deren Zentrum das Dorf Oversett war, Leeds näher als Harrogate gelegen, und nicht mehr als zwanzig Meilen von York entfernt.“
Die geschichtlichen Hintergründe hat sie genauestens recherchiert und wunderbar leicht eingearbeitet. Zum Beispiel die unterschiedlichen moralischen Vorstellungen der Gesellschaftsschichten.
„[…] Ancilla hatte in den wenigen Monaten, die sie in London verbrachte, gelernt, dass liederliches Betragen von vielen mit Belustigung und keineswegs mit Abscheu angesehen wurde. Hochgeachtete Leute sprachen offen von den letzten Seitensprüngen, und man wusste, noch überraschender, dass hochmütige Damen der höchsten Gesellschaft die Kinder fremder Männer ihren Ehegatten unterschoben. Wenn man in dieser vornehmen Welt nur genug verschwiegen war, konnte man so viele Liebhaber haben, wie man nur wollte, und wurde noch immer für hochachtbar gehalten! Das einzige unverzeihliche Verbrechen war, einen Skandal zu verursachen. […] Aber Miss Trent war nicht in dieser anpassungsfähigen Moral aufgewachsen. Sie verachtete den Wüstling nicht weniger als die Prostituierte […]“.
Wie schon bei „Venetia und der Wüstling“ verraten sie die Blicke, die sie einander zu verwerfen. Denn Gefühle aussprechen, für die Unverheirateten unmöglich. Es bleibt – wie im Regency in der gehobenen Gesellschaft üblich – bei Andeutungen. Was die Grundlage für so manches Missverständnis ist.
Fazit
Ein Roman mit kleinen Längen, aber sehr vergnüglich.
Ausgaben
Original
„The Nonesuch” 1961, Heinemann
Auf Deutsch
Paul Zsolnay Verlag 1974 // rororo 1976, 1986
Anette Richter (Übersetzerin)
1986: Umschlagbild Eva Kausche-Kongsbak
„Junggesellentage“, Georgette Heyer (Autorin),
336 Seiten, 6,99 €, beHEARTBEAT (eBook), VÖ 25. Juni 2021
Hörbuch
10 Std., 44 Min., 14.99 Euro, Birgit Arnold (Sprecherin), Audiobuch Verlag, VÖ 12. September 2023