
Mit den Träumen ist es so eine Sache. Wenn sie in Erfüllung gehen, merkt man manchmal, dass Träume besser Träume bleiben würden. Wenn sie sich nicht erfüllen, hinterlässt dies manchmal ein große Leere. Jule denkt: Ein Haus auf dem Land plus Kinder gleich Glück. Doch diese Formel geht nicht immer (oder sogar nur selten) auf. „Das leise Platzen unserer Träume“ ist eine sehr passende Formulierung dafür. Klug und berührend beschreibt Eva Lohmann wie Jules Träume zerplatzen.
Verlagsinfo
Ein Haus auf dem Land. Das hast du dir immer gewünscht, Jule. Dazu ein wilder Garten, durch den eure Kinder rennen. So hast du dir das Glück vorgestellt. Doch die Kinder sind nie gekommen. Und dein Mann hat jetzt eine Affäre in der Stadt. Ihr Name ist Hellen, und Hellen denkt viel an dich. Vielleicht ein bisschen zu viel. Oft fragt sie sich, warum du und dein Mann noch immer zusammen seid. Wie zwei Menschen es so lange miteinander aushalten können, wenn ihre gemeinsamen Träume doch längst geplatzt sind. Aber von alldem hast du keine Ahnung, Jule. Du weißt nicht von Hellen und nicht von ihren Fragen. Noch nicht. Noch sitzt du da, in deinem hübschen Garten, und überlegst, ob das, was du hast, vielleicht doch reichen könnte, um glücklich zu sein.
Das Buch
Seien wir ehrlich: Wer von uns Frauen hat (oder hatte) nicht denselben Wunsch wie Jule? Die Idylle vom (Land-)Haus mit Kindern findet sich in Zeitschriften und in der Werbung.
[…] da hatte sich Jule vorgestellt, wie ihre Freundinnen mit ihr im Garten sitzen würden. An einem großen Tisch mit Obstkuchen und Sahne hatte sie sich gesehen. Wie aus dem Landliebe Katalog reinkopiert in dieses frische, grüne Leben. Und Kinder hatte sie sich vorgestellt. Nicht nur die eigenen, sondern auch die ihrer Freundinnen und Freunde, Kinder aller Altersstufen, wie sie durch den Garten rannten und Schnecken sammelten und auf Bäume kletterten und nur zwischendurch kurz am Tisch anhielten und sich ein Stück Kuchen in die Münder stopften.
Doch das Dorfleben erweist sich als anders, als erwartet. Jule ist Großstädterin. Sie hat Kulturwissenschaften studiert, in Cafés und Bars gejobbt und schließlich in einem Eisladen angefangen, eigenes Eis herzustellen – sehr erfolgreich. Die Diskrepanz zwischen Stadt und Land ist einer der Punkte, der Jule beschäftigt. Aber ebenso ihre sterbende Beziehung zu David, ihrem Ehemann.
Jetzt fiel es ihr schwer zuzuhören und noch schwerer, einen Kommentar abzugeben, den er nicht relativieren oder bestreiten würde. Es war mit den Jahren schlimmer geworden. Was immer Jule sagte, er fand es garantiert in irgendeiner Weise unpassend. Es war mittlerweile so schwierig geworden, etwas zu sagen, das David nicht abblockte, dass es Jule einfacher schien, gar nichts mehr zu sagen. Und so war das Schweigen gekommen. Jule hatte sich früher gefragt, was den Paaren passiert war, die einander schweigend im Restaurant gegenübersaßen. Jetzt wusste sie es.
David hat inzwischen eine Geliebte: Hellen. Diese beobachtet und kommentiert Jules Ehe. Und so sind es zwei Stimmen, zwei Perspektiven, die in dem Buch zum Tragen kommen. Das fand ich sehr reizvoll.
„Am liebsten würde ich dir Mut zusprechen. Dir erzählen, wie schwer mir selbst meine Trennung gefallen ist. Dich fragen, wie lange du noch so unglücklich vor dich hin leben willst.“ Hellen
Obwohl sie und David eigentlich nur noch nebeneinanderher leben, scheut Jule die Trennung. Auch dies ein Aspekt, den sicherlich viele Frauen kennen. Trennung schwer fällt, denn:
„Bei den meisten Menschen, mit denen ich in der Recherche gesprochen habe, ist es die Angst vor Einsamkeit. Da ist diese Frage: Werde ich danach jemals wieder jemanden finden? Aber wenn man genauer nachfragt, sind diese Leute ja auch in der Beziehung schon wahnsinnig allein. Nirgendwo kann man sich einsamer fühlen als neben einem Partner, dem man sich nicht mehr verbunden fühlt. In meinem Roman versuche ich, genau dieses Gefühl zu beschreiben. Aber auch die Befreiung, die man fühlt, wenn man loslässt.“
Eva Lohmann im Interview
Die Autorin
Nach ihrem Roman „Acht Wochen verrückt“ und dem Sachbuch „So schön still“, die beide auf der Spiegel-Bestsellerliste standen, ist „Das leise Platzen unserer Träume“ der neue Roman der Hamburger Autorin. Wenn Eva Lohmann nicht gerade schreibt, berät sie in der Agentur I.do Mütter beim Wiedereinstieg in den Job – oder kocht in einer kleinen Eventlocation für Hochzeiten und Geburtstag. Ende Februar erscheint ihr neues Buch: „Wie du mich ansiehst“. Ein Roman über das Älterwerden.
Fazit
Ein eher stilles, aber eindrucksvolles Buch. Ich bin mir immer noch nicht schlüssig, ob ich das Ende gut oder eher für kitschig halten soll. Dennoch ist mir die Geschichte von Jule und Hellen unter die Haut gegangen und beschäftigt mich nachhaltig. Zu viele Situationen sind mir selbst zu gut bekannt.
„Das leise Platzen unserer Träume“, Eva Lohmann
Print: 224 Seiten, 22 Euro, Eisele Verlag, VÖ 31. August 2023
Hörbuch: 15.95 Euro, 5 Std.1 Min., Sprecherin Eva Lohmann, Julia Eisele Verlag, VÖ 31. August 2023
Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank. Meine Meinung hat dies nicht beeinflußt.