Friedrichstadt: Mit Gabriella Engelmann in „Lütteby“

Ein Besuch im zauberhaften Friedrichstadt, das als Vorlage für den Roman-Ort dient ◼️

Gabriella Engelmann und Bloggerin Sabine Sopha ganz entspannt in Lütteby-Friedrichstadt. Foto: Silke Kurtz

Lütteby hat alles, was Gabriella Engelmann liebt. Die Schriftstellerin aus Hamburg hat mit der fiktiven Kleinstadt einen zauberhaften Ort geschaffen. Als Vorbild diente Friedrichstadt. Bei einem Bummel plaudert sie über die Roman-Serie, die jetzt mit einem vierten Band ihr Ende gefunden hat, und ihre Liebe zur Nordseeküste.

Kombination von Fiktion und Fakten

„Der Winter zaubert Träume am Meer“ lautet der Titel von Buch Nummer vier. Schnee ist in Norddeutschland selten. Umso schöner, wenn es im Buch winterlich ist. Beim Bummel mit Gabriella Engelmann ist es allerdings warm, denn wir haben uns im Sommer in der Grachtenstadt getroffen.

Das Städtchen präsentiert sich von seiner besten Seite. Die Sonne strahlt, an zahlreichen Hauswänden blühen Rosen, die Treppengiebel der historischen Häuser recken sich in einen hellblauen Himmel. In der Innenstadt fahren nur vereinzelt Autos, Fußgänger schlendern gemächlich an Schaufenstern vorbei. Gabriella Engelmann schnuppert hier und da an einer Rose, betrachtet versonnen ein Boot auf der Gracht. Keine Frage: Ihr gefällt Friedrichstadt.  Am Marktplatz reihen sich die historischen Gebäude eng aneinander.

„Lina wohnt bei ihrer Oma unter dem Dach in einem Giebelhaus.“

Die Autorin über ihre „Lütteby“-Protagonistin Lina Hansen

Welches Haus? Da gibt es kein konkretes Vorbild. Der genaue Ort entspringt ebenso wie zahlreiche andere Details ihrer Fantasie. „Sonst muss ich für jeden Stein Rede und Antwort stehen“, begründet die Autorin die Kombination von Fiktion und Fakten. Sie hat mit Lütteby einen Ort geschaffen, „aus all dem, was ich liebe: die Nordsee, charmante Treppengiebelhäuser, einen Marktplatz, der sich seinen ursprünglichen Charme bewahrt hat, einen Naturstrand mit Steilküste.“

Grachten und schöne Häuser.
Gemütlich: Die Innenstadt.
Grachtenfahrten sind sehr beliebt.
Die ehemalige Synagoge.

In Lütteby ist die Touri-Info der Arbeitsplatz von Lina Hansen. In Friedrichstadt von Sebastian Müller. „Von ihm habe ich viele Informationen erhalten“, berichtet Gabriella Engelmann. Von Sebastian Müller hat sie sich erklären lassen, welche Aufgaben Lina in ihrem Job hat. Und der Friedrichstadt-Kenner „hat mir viele lustige Anekdoten erzählt“. So hatte sich eine Besucherin nach einer Grachtenfahrt beklagt, dass eine Brücke von unten so schmutzig sei, dort müsse man mal putzen. Dieses Detail lässt die Autorin immer noch schmunzeln. „Es spielt im dritten Lütteby-Band eine Rolle.“ Mit dem Slogan „Zwischen Giebeln und Grachten“ wirbt das Städtchen für einen Bummel durch die schnurgeraden, rechtwinkligen Straßen.

Dass Holländer an der Stadtplanung von „Klein-Amsterdam“ beteiligt waren, zeigt sich an zahlreichen Punkten. Natürlich kennt Gabriella Engelmann die Remonstranten-Kirche und weiß, dass Angehörige dieser Religionsgemeinschaft die Niederlande wegen ihres Glaubens verlassen mussten. Sie fanden zwischen Treene und Eider eine neue Heimat.

Info
Die Remonstrantische Gemeinde in Friedrichstadt ist eine freisinnige, christliche Glaubensgemeinschaft, die 1619 in den Niederlanden gegründet wurde. Die 1624 errichtete älteste remonstrantische Kirche der Welt wurde leider im schleswig-holsteinisch-dänischen Krieg 1850 zerstört. Die an ihrer Stelle neu errichtete Kirche von 1854 bezaubert heute die Besucher mit ihrer klaren, hellen Schlichtheit und ihrer außergewöhnlichen Akustik. Im Sommerhalbjahr ist die Kirche tagsüber meist geöffnet, kann darüber hinaus ganzjährig im Rahmen der Stadtführungen besichtigt werden. Gottesdienst wird in der Regel am letzten Sonntag im Monat um 10 Uhr gefeiert. Gäste sind herzlich willkommen, auch zum Austausch hinterher bei einem „kopje koffie“ im Gemeindehaus.
Die Remonstrantenkirche.

Die Niederländer sollten einen Hafen anlegen, der dem Ort Weltgeltung verschafft. Nun, das hat nicht geklappt. Dafür ist Friedrichstadt inzwischen ein touristisches Kleinod. Vom Marktplatz sind es nur wenige Schritte bis zur Tourist-Information neben dem Rathaus, einem „historischen Bau aus rötlichem Backstein, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts errichtet und im Laufe der Zeit immer wieder restauriert wurde“, heißt es im Buch. Das heutige Rathaus ist in der Tat ein Bau aus rötlichem Backstein, wurde allerdings erst nach 1850 erbaut – und zwar als Hotel. Nachdem die Stadt es 1910 gekauft hatte, erhielt es eine Fassade im Stil der holländischen Renaissance.

„Sobald ich schleswig-holsteinischen beziehungsweise nordfriesischen Boden betrete, kommt meine Seele an.“

Gabriella Engelmann über ihre Nordsee-Liebe

Für ein Foto an der Gracht hat Gabriella Engelmann ihren Wollschal abgenommen. Jetzt wickelt sie ihn wieder fest um den Hals. Im Restaurant bestellt sie nach einem kurzen Blick in die Karte erst einmal einen Tee. Sie friert schnell, selbst an einem sonnigen Tag. In München geboren kam sie während der Pubertät in den Norden. „Ich war not amused“, gesteht sie. Das änderte sich, als sie das erste Mal nach Amrum reiste. Die Fahrt mit der Fähre begeisterte sie, von der „Mondlandschaft“ war sie fasziniert. „Eigentlich hasse ich Wind und Kälte.“ Aber seit der Amrum-Reise ist Gabriella Engelmann ein Fan der Nordsee, der Küste und ihrer Bewohner. Sie selber ist temperamentvoll. „Ich quassel gleich los.“ Norddeutsche sind zurückhaltender, stellte sie fest, so wie ihre Pensionswirtin auf Föhr. Doch es wurde eine Freundschaft fürs Leben – mit der Wirtin und dem Land.

Vita
Gabriella Engelmann wurde 1966 in München geboren und lebt in Hamburg. Sie arbeitete als Buchhändlerin, Lektorin und Verlagsleiterin. Seit einigen Jahren genießt sie die Freiheit des Daseins als Autorin von Romanen, Kinder- und Jugendbüchern.  Gabriella Engelmann liebt nordfriesische Inseln, ihre Wohnung am Kanal, Theater, Film, Tanz, Musik und gutes Essen. Nach eigener Aussage trifft sie sich gern mit Freunden, bepflanzt ihre Terrasse, schwingt den Kochlöffel und denkt sich in der Badewanne Stoff für neue Bücher aus. Ihre Vorlieben findet man oft in ihren Büchern wieder. Genauso wie ihre Träume von einem Häuschen am Deich mit knorrigen Apfelbäumen und Wildrosen im Garten.

Nach Amrum folgte eine Sylt-Phase. Auf der Nordseeinsel spielen die Büchernest-Romane von Gabriella Engelmann. Dann recherchierte sie für „Sommerwind“. „Dabei habe ich Föhr für mich entdeckt.“ Ihr Traum: In Nordfriesland und am besten auf einer Insel leben. „Ich brauche das Gefühl von Weite“, sagt sie. Da spüre man, wie klein und unbedeutend man ist. Wind, Wellen und Weite sind wichtige Komponenten in den Romanen der Schriftstellerin.

„Wir gehen und gehen, mit jedem Schritt gewinne ich an Stärke zurück und kann gut verstehen, wieso das Meer für viele Menschen ein Kraftquell ist. Zu sehen, wie Horizont und Nordsee eins werden, lässt alles ein Stück weniger schwer und bedeutsam erscheinen.“

Lina Hansen, aus: Das Wunder küsst uns bei Nacht

Auch Friedrichstadt war bereits Spielort eines Engelmann-Buches, in „Strandfliederblüten“. Allerdings war es eher eine Nebenrolle. Während der Corona-Pandemie hatte sie sich mehrere Wochen vor Ort recherchiert, unter anderem um die „kuschelige Atmosphäre“ einzufangen. Sie hatte sich schräg gegenüber der Tourist-Information im Hotel Aquarium einquartiert. Grachten, der Marktplatz, die Atmosphäre – als dies ist in die Romane eingeflossen.

Schiffe – Kunsthandwerk.
Typisch: Hausmarken an den Häusern.
Boote – im kleinen Hafen.
Kennzeichen der Erbauer oder Bewohner.

Am Marktplatz liegt ein kleiner Park. Hier nisten zahlreiche Krähen. Ihr Lärm ist für manche Touristen ein Grund zur Beschwerde. Ein Tier hatte mit seinen Exkrementen den Mantel einer Frau beschmutzt. Die verlangte, dass die Tourist-Information die Reinigung bezahlen solle. Gabriella Engelmann schüttelt ungläubig den Kopf. „Im Hotel habe ich die Krähen auch gehört. Aber das sind doch natürliche Geräusche.“ 

Genauso wie sie das Meer und den Strand liebt, liegen ihr Tiere am Herzen. „Alles ist mit allem verbunden.“ Gleichzeitig hat sie ein Faible für mystische Sagenelemente. „In der Schule in München haben wir den ‚Schimmelreiter‘ von Theodor Storm gelesen. Die Geschichte fand ich sehr faszinierend.“ Jetzt bringt sie in jedem Nordfriesland-Roman mystische Aspekte unter. In der Lütteby-Reihe ist dies unter anderem Abraxas ­– eine weiße Krähe, „die als Seelentröster eine Rolle spielt oder auch Todesfälle ankündigt“. Im Buch ist das Tier schon mal in der Tourist-Information anzutreffen, wo es von den Mitarbeitern mit Sonnenblumenkernen gefüttert wird.

Eingang zur Buchhandlung Stümpel.
Der „Wunderprinz.“
Es gibt viele interessante Hausfassaden.
Die Autorin und die Bloggerin im Gespräch. Fotos: Sabine Sopha, Silke Kurtz

„Ich sehe es als meine Aufgabe als Autorin an, mit jedem Buch eine bestimmte Thematik anzusprechen.“ Ihre Message bringt sie allerdings nach eigener Aussage in „homöopathischen Dosen“ unter. In der Lütteby-Reihe ist das zentrale Thema eine historische Fehde, die ursprüngliche Freunde zu Feinden machte. Der Ort Grotersum hat um jeden Preis modernisiert und „viele schöne Dinge demontiert“.  Lütteby ist schön und damit im Vorteil, hat allerdings wirtschaftliche Probleme. „Eine Legende sagt, dass Lieben zwischen Grotersumern und Lüttebyern keine Chance haben“, schildert die Autorin den Konflikt. „Es geht um das Miteinander, darum, das man erst mal nachfragt, bevor man verurteilt.“ Sie möchte, dass die Menschen „den Blick auf das Bunte richten, sich einander helfen“. Auch auf ihren Social-Media-Kanälen bemüht sich um positive Nachrichten. 

„Ich glaube an das Positive!“

Bleibt die Frage, warum ihr Traumort den Namen Lütteby erhalten hat. Denn die Endung -by findet sich vor allem im Angeliter Raum. „Es sollte ein Bullerbü-Anklang sein.“ Und auf etwas Kleines hinweisen. Lilleby schwebte ihr vor. Allerdings, so die Autorin, ist dieser Name schon vergeben. Auch „Lütt“ bedeutet klein. So entstand der Name. Ein kleiner Ort mit hübschen Häusern und vielen Rosen. Wieder bleibt Gabriella Engelmann stehen, am Eckladen „Wunderprinz“. „Hier habe ich einen Glücksstuhl gekauft“, erklärt sie, setzt sich draußen auf eine Bank. Daneben wächst – natürlich – eine Rose. Mit der Königin der Blumen gibt es auch ein symbolträchtige Szene im dritten Band, verrät sie. Und schnuppert noch einmal mit geschlossenen Augen, um den Duft zu genießen.

Lütteby – lesen oder hören

Es empfiehlt sich, die Trilogie in der vorgegebenen Reihenfolge zu lesen. Oder zu hören. Jeweils als Knaur TB oder als Hörbuch im Argon-Verlag. Schauspielerin Eva Gosciejewicz hat die Reihe ungekürzt mit viele Empathie eingelesen. 

https://meehr-lesen.de/2024/09/30/neu-engelmann-der-winter-zaubert-traeume-am-meer

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