Anni Gade und die Fördemorde 1 ◼️

Kennt ihr Petuhtanten? Nein. Dann solltet ihr diesen Krimi lesen. Er ist wie ein spannender Spaziergang durch meine Heimatstadt, durch Flensburg. Inga Schneider beziehungsweise Petuhtante Annie erzählt viel über die Fördestadt – und klärt quasi nebenbei noch einen Mord auf. Am 27. Februar stellt die Autorin ihr Buch in Flensburg vor *.
Verlagsinfo
Die Flensburger Förde: Möwengeschrei, Ostseeluft und Sonnenschein. Doch das spurlose Verschwinden zweier Unternehmer trübt die Urlaubsidylle. Die Gerüchteküche brodelt: Sind die beiden Männer entführt worden – oder ist ihnen etwas noch Schrecklicheres zugestoßen? Anni Gade ist die Letzte, die die beiden lebend sah. Seit ihrem erfolgreich abgebrochenen Studium hält Anni sich mit Stadtführungen über Wasser und erlebt dabei viel Skurriles. Doch damit, in einen Kriminalfall verwickelt zu werden, hat sie nun wirklich nicht gerechnet. Die Ermittlungen des arroganten Kommissars Jan Christiansen scheinen in eine völlig falsche Richtung zu gehen. Also beschließt Anni, auf eigene Faust zu ermitteln. Mit ihrer Schnüffelei geht sie Christiansen nicht nur gehörig auf die Nerven, sondern stolpert auch noch über eine Leiche …
Ohaueha** – was für ein Buch
Einen „Hygge-Krimi“ nennt der Verlag das Buch. Hygge ist inzwischen wohlbekannt – das ist die gemütliche Lebensart aus Dänemark. Flensburg liegt direkt an der dänischen Grenze. So gibt es in der Stadt (wie im gesamten nördlichen Schleswig-Holstein) eine dänische Minderheit mit eigenen Bibliotheken und Schulen. Auf so eine Schule ist Anni gegangen. Sie spricht Dänisch, aber sie beherrscht auch die Sprüche der Petuhtanten, denn eine solche stellt sie bei ihren Stadtführungen dar. Petuhtanten liebten die Fahrten auf den Butterdampfern***, allen voran der Alexandra.

„Szo feine Damen wie ich lieben nichts mehr, als mit unserem Partout-Billet […] das heißt Hin- und Rückfahrt auf Neudeutsch […] auf diesen Dampfern rüber bis nach Dänemark zu schippern. […] Böse Zungen behaupten, wenn wir, also feine Damen wie ich, Partout sagen, klingt es immer ein wenig nach Petuh. Daher nennen sie uns Petuhtanten.“
Zitat aus dem Buch
Dieses Buch zu lesen, ist für mich wie Nachhausekommen. Das liegt zum einen an den zahlreichen schönen Schilderungen. Aber auch die Atmosphäre der Fördestadt ist wunderbar eingefangen. Und ich denke, wer Flensburg noch nicht kennt, wird sehr angetan sein.
Inga Schneider hat sich vielfach an Fakten gehalten wie bei Beschreibungen der Innenstadt – ohne dass diese Passagen zu nüchtern daherkommen. Schade ist allerdings, dass sie diese mit Fiktion gemischt hat: Es gibt und gab in Flensburg keine Stadtmauer. Für die Jebsen Brauerei hat Hansens Brauerei Pate gestanden. Das Unternehmen betreibt eine Kneipe in der Innenstadt und es gab auch mal einen Straßenbahnwaggon in den Räumen, aber es gibt nach meinen Recherchen keine Produktionsstätte außerhalb.
Eine große Brauerei hat die Stadt auch – und deren „Flens“ ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Dass Inga Schneider eine fiktive Brauerei gewählt hat, ist verständlich. Ist es doch der Brauerei-Besitzer, der – genau sie ein Großinvestor – spurlos verschwindet. Anni ist eine sehr sympathische Protagonistin und keine klassische Ermittlerin. Doch sie hat die beiden als letzte lebend gesehen. Durch ihren Beruf hat sie Kontakt zu vielen Menschen und erfährt so manches, was dem neu aus Hamburg hinzugezogenen Kommissar verborgen bleibt. Überhaupt: Die meisten Personen sind sehr sympathisch. Dieser Aspekt und die heimelige Atmosphäre verdienen die Bezeichnung „Hygge-Krimi“.
Autorin
Der Flensburg Krimi ist nicht ihr erstes Buch. Inga Schneider hat bereits Liebesromane, die in Dänemark oder England spielen, geschrieben.
„Geboren wurde ich 1978 in Flensburg, Schleswig-Holstein, wo ich auch heute noch mit meinem Mann, unserer Tochter und unserer Katze Lilli lebe. Den Wunsch, Autorin zu werden, hatte ich schon während der Schulzeit.“
Die Autorin ist ausgebildete Journalistin und arbeitet inzwischen als Redakteurin bei „Flensborg Avis“, der Tageszeitung der dänischen Minderheit. Hier wird ihr Buch auch vorgestellt.
Das Cover
… zeigt den Blick auf das östliche Fördeufer von Flensburg mit der St. Jürgen Kirche. Hier liegt auch das im Buch erwähnte Kapitäns-Viertel. Und es sieht am Hafen genauso stimmungvoll aus wie auf dem Titelbild. Ach ja – das Wort Klönschnack kennt ihr doch? Ein Schnack ist ein Gespräch, Klönen bedeutet gemütlich plaudern. Ein typisch norddeutsches Wort.
Fazit
Ein Buch, das wie eine kleine Reise in die Fördestadt ist. Und das beste Spannung und Unterhaltung bietet. Für die Vermischung von Fakten und Fiktion gibt es zwar gute Gründe, aber ich hätte mir ein Nachwort mit Erklärungen gewünscht. Daher einen halben Stern Abzug. Dennoch bin ich schon sehr gespannt auf den zweiten Band.
„Ostsee, Klönschnack und ein Mord“, Inga Schneider
310 Seiten, 12.99 Euro, SAGA Egmont, VÖ 11. Februar 2025
* Donnerstag, 27. Februar 2025, bei Hugendubel in Flensburg. Beginn um 19.30 Uhr.
** Ausruf der Petuhtanten
*** Butterdampfer waren Fahrgastschiffe, die beispielsweise zwischen Flensburg und Kollund verkehrten. Von 1953 bis 1999 konnte man auf den sogenannten Butterfahrten verbilligt Butter und Alkohol kaufen, weswegen sie nicht nur als Verkehrsmittel genutzt wurden, sondern auch als schwimmender Kiosk.