Leander Lost ermittelt, 1 ◼️

Portugal, seine Menschen und ihre Lebensart werden hier auf kenntnisreiche wie liebevolle Art beschrieben. Dazu ein Kommissar mit Asperger und ein aktuelles gesellschaftspolitisches Thema. Eine großartige Kombination und der Auftakt zu einer meiner Lieblingsserien.
Verlagsinfo
Das Septemberlicht an der Algarve ist von betörender Schönheit. Am Flughafen von Faro nehmen Sub-Inspektorin Rosado und ihr Kollege Esteves einen schlaksigen Kerl in schwarzem Anzug und mit schmaler Lederkrawatte in Empfang: Leander Lost, Kriminalkommissar aus Hamburg, für ein Jahr in Diensten der Polícia Judiciária. Eine Teambildung der besonderen Art beginnt, als die portugiesischen Sub-Inspektoren feststellen müssen, dass ihr neuer Kollege aus Deutschland nicht nur merkwürdig gekleidet ist, sondern sich auch merkwürdig verhält. Erst langsam kommen sie dem Mörder eines Privatdetektivs auf die Spur, sowie der Tatsache, dass Leander Losts Merkwürdigkeiten dem Asperger-Syndrom geschuldet sind – und dass seine Inselbegabungen äußerst hilfreich sind bei der Lösung des Falls um die schmutzigen Machenschaften eines Wasserversorgers an der Algarve.
Doppeldeutiger Titel
Als ich Anfang 2019 die Bekanntschaft mit Leander Lost machte, war der erste Band zwar seit fast zwei Jahren auf dem Markt, aber ich (als Vielleserin) hatte noch nichts davon gehört. „Wenn du an den Algarve fährst, musst du dieses Buch unbedingt lesen“, hatte mir einem Bekannte gesagt. Ich war irritiert. Wer oder was ist in Fuseta verloren gegangen? Und wo liegt Fuseta? Das waren die ersten Gedanken, die mir bei diesem Titel durch den Kopf gingen. Denn ich hatte den Titel auf Englisch gelesen/ausgesprochen.
Inzwischen muss man nichts mehr erklären. Leander Lost ist deutschlandweit bekannt, auch an der Algarve – jedenfalls unter deren deutschstämmigen Bewohnern. Ja, es gibt inzwischen einen umfangreichen Wikipedia-Eintrag.
Der Name beziehungsweise Titel sind wahrscheinlich bewusst doppeldeutig gewählt. Denn der Hamburger Kommissar Leander Lost ist Autist genauer ein Asperger.
Das Asperger-Syndrom
ist eine angeborene neuropsychiatrische Erkrankung aus der Gruppe der Autismus-Spektrum-Störungen. Die Entwicklungsstörung äußert sich vor allem durch Störungen in der sozialen Interaktion, Störungen der Kommunikation, sich wiederholenden Verhaltensweisen und Spezialinteressen. (Quelle: AOK)
Im Rahmen eines Europol-Austauschprogramms kommt der Hamburger an die Algarve. Lost (schwarzer Anzug, schwarz Krawatte) gibt seinen portugiesischen Kollegen Rätsel auf. Er blinzelt kaum. Er ist blass. Er sagt wenig.
„Deutschen waren sie hier an der Algarve schon oft begegnet. Alemães waren pünktlich und aßen bevorzugt dort, wo sie große Portionen erhielten, und nicht dort, wo es gutes Essen gab. Sie sparten beim Trinkgeld und beim Lob.“
Seine neuen Kollegen Graciana Rosado und Carlos Estevez holen ihn vom Flughafen ab. Ich liebe die Szene (auch im Film großartig), als sie sich darüber unterhalten, dass sein Gesicht wie mit Botox behandelt wirkt – und Leander sich kurze Zeit später in fließendem Portugiesisch an sie wendet. Natürlich ist es ihnen ausgesprochen peinlich, dass er sie verstanden hat.
Daraus, dass Leander Lost Autist ist, ergeben sich zahlreiche besondere Situationen. Das ist ein Aspekt, der den Reiz dieser Serie ausmacht.
Die übrigen Haupt-Personen
- Graciana Rosado – klug, rasante Fahrerin, mit großem Herzen
- Carlos Estevez – hat stets etwas zu Essen in der Hand „was man ihm nicht sofort ansah: Er trug Shorts, Espadrilles und ein weites hellblaues Hemd. Eine Ray-Ban mit schmalen Gläsern hatte er sich ins halblange Haar geschoben. Er war 38 Jahre alt und ein großer, massiger Kerl, der es erfolgreich vermied, sich schnell bewegen zu müssen.“
- Soraia – Gracianas Schwester, großen Augen, Sommerprossen und Grübchen, für die Leander ein Faible hat. Die Erzieherin erkennt die Inselbegabung von Leander.
- Und dann ist da noch „der Pfau“, so genannt, weil er stets sein Aussehen im Sinn hat. Der Kollege von Graciana und Carlos sorgt immer wieder für ein Schmunzeln beim Leser.
Land und Leute
Außerdem werden Land und Leute ausführlich beschrieben. Dennoch wirkt das Buch nicht wie ein Reiseführer. Ich habe es jetzt zum dritten Mal gelesen und entdecke immer wieder ausgesprochen treffende Schilderungen von Land und Leuten (mehr dazu >> hier).
Die Geschichte an sich ist in zwei Stränge gegliedert. Der Anfang besteht hauptsächlich in der Einführung von Leander, der Gegebenheiten und des Falls. Später kommt eine weitere Komponente hinzu, eine junge Waise. Das fanden manche zu rührselig. Ich fand es stimmig.
Verfilmungen

Ins Portugiesische übersetzt wurden die Bücher (noch) nicht. Aber die beiden TV-Verfilmungen (mehr dazu >> hier) wurden auch im portugiesischen Fernsehen gezeigt.
Der Autor
Der Name klingt portugiesisch. Doch dahinter verbirgt sich ein Deutscher. Mehr dazu >> hier
Fazit
Dies ist der erste Band einer mehrbändigen Serie. Bereits vor einigen Jahren erschienen, aber die Themen und die Beschreibungen der Algarve sind immer noch aktuell. Sympathische Charaktere und kenntnisreiche Schilderungen von Land und Leuten machen den Reiz dieser Serie aus, die ich jedem Algarve-Besucher ans Herz lege. Ebenso wie die Verfilmung.
„Lost in Fuseta“, Gil Ribeiro
400 Seiten, 11 Euro, KiWi TB, VÖ 12. April 2018
Auch als Hörbuch