Rezension – Eva Lohmann: Wie du mich ansiehst

Bewertung: 4.5 von 5.

Es sind Themen, die viele Frauen bewegen. Ob sie eine gute Mutter sind. Ob sie schön sind. Ob sie gesehen werden. Diese und noch einige andere greift Eva Lohmann auf – aus der Sicht der 40-jährigen Johanna. Was anfangs wirkt wie wahllose Schilderungen, wird zu einem nachdenklichen wie unterhaltenden Roman über Frauen und das Frauenbild in unserer Gesellschaft.

Verlagsinfo

Zwei Dinge hat Karl seiner Tochter Johanna hinterlassen: Den geliebten, verwilderten Garten – und eine tiefe Sorgenfalte auf der Stirn, die einfach nicht mehr weggehen will. Den Garten möchte Johanna behalten, aber die Sorgenfalte soll weg: Sie lässt das erste Mal in ihrem Leben »etwas machen« und ist fasziniert, wie scheinbar einfach sich die Erschütterungen eines vierzigjährigen Lebens ausradieren lassen. Mit dem Verschwinden der Falte treten allerdings neue Fragen auf: Warum ist Johanna ihr Aussehen überhaupt so wichtig? Wie erklärt sie die Sache ihrer Tochter, der sie immer gepredigt hat, sich selbst bedingungslos schön zu finden? Und kann das Älterwerden für Johanna nicht auch eine große Freiheit bedeuten?

Das Buch

Es beginnt ganz unspektakulär. Die Tochter geht allein zu einer Party, Johanna legt sich mit einem Buch ins Bett. Rosa ist pünktlich zu Hause, aber nicht nüchtern. Detailliert schildert Eva Lohmann die Situation. Gleichzeitig erfährt man, wie Johanna sich gefühlt hat, als sie Mutter geworden ist, wird Zeuge eines entspannten Mutter-Tochter-Verhältnisses. Scheinbar plätschern die Schilderungen harmlos dahin. Doch sie sind die Einleitung zum zentralen Thema und gleichzeitig eine feinfühlige wie treffende Zustandsbeschreibung eines Lebens, dessen Eckepunkte wohl zahlreiche Frauen so oder ähnlich kennen: Wie die Scheidung der Eltern das spätere Verhalten beeinflusst, wie das Zusammenleben zweier gegensätzlicher Charaktere funktioniert, dass der Tod eines Elternteils einen Einschnitt im eigenen Leben bedeutet.

Johannas Vater ist vor Kurzem gestorben. Ihre Tochter ist 15 Jahre alt. Die Mitarbeiterin im Geschäft hat innovative Ideen, auf die sie selber nicht kommt. Wenn sich der Körper und die Lebensumstände verändern, stimmt das nachdenklich. Sie fühlt sich nicht mehr gesehen –  von Männern. Keine bewundernden Blicke mehr. Und wer von uns Frauen kennt ihn nicht, den kritischen Blick in den Spiegel, der neue oder auch eingebildete Falten zeigt. Eine Falte zwischen den Augenbrauen hat sich im Laufe von Johannas Lebens immer tiefer eingegraben. Sie beginnt, sich alt zu fühlen. Dabei ist sie mit 40 Jahren weit davon entfernt. 

„Johanna ist schon als Kuh beschimpft worden, als Fotze, als Dummi, einmal interessanterweise auch als Lesbe. Das Wort Tussi ist bestimmt ebenfalls mehrere Male gefallen, aber nie in Verbindung mit alt. Oder doch? Die Frau hatte sie ganz deutlich eine »alte Tussi« genannt.“

Jede Frau reagiert anders auf Veränderungen. Johanna lässt sich die Falte wegspritzen. Schönheitschirurg ja oder nein – ein Thema, das in unserer Gesellschaft heiß diskutiert wird. Die Umgestaltung des eigenen Körpers ist zwar inzwischen ohne große Umstände möglich, wird tausendfach praktiziert, ist aber ist nicht unbedingt gesellschaftlich anerkannt. Eine Diskrepanz, die Eva Lohmann offenlegt.

Die Männer und ihr Verhalten zur Anmache sind ebenfalls ein Thema. Mitschüler machen ein Foto unter dem Rock von Rosa und verbreiten es in der Schule. Die Reaktion von Johanna und Vater Hendrik offenbaren die unterschiedlichen Vorstellungen von Mann und Frau. Rosa beziehungsweise die Autorin findet eine gangbare Lösung für diesen Konflikt. Ebenso für Johannas emotionale Sackgasse. Dabei spielt der Garten ihres verstorbenen Vaters Karl eine zentrale Rolle. 

Von da an nimmt die Handlung an Fahrt auf.

Fazit

Eva Lohmann wählt treffsicher Themen aus, die von gesellschaftlicher Relevanz sind. Wie schon in ihren vorherigen Romanen erweist sie sich dabei als genaue Beobachterin, deren Betrachtungen in einem angenehm leisen Ton geschildert werden. So ist das Buch weder belehrend noch feministisch. Ganz im Gegenteil. Ein bisschen mehr Schärfe hätte ihm nicht geschadet. Insgesamt jedoch: Sehr lesenswert.

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