Die portugiesische Dichterin Florbela Espanca ⬛️

Florbela wer? Die wenigsten Leser und Leserinnen in Deutschland wird der Name dieser Frau ein Begriff sein. In Portugal ist das anders. Ihre Werke sind mehrfach veröffentlich worden. Aber die Lektüre ist anspruchsvoll. Genauso wie diese außergewöhnliche Frau. Umso dankenswerter ist es, dass die deutsch-portugiesische Autorin Catrin George Ponciano sich mit Leben und Werk von Florbela Espanca befasst hat. Und dass der Aviva Verlag diese Biografie veröffentlicht hat.
Verlagsinfo
Selbstbestimmt stemmte sich Florbela Espanca gegen die von Kirche und Gesellschaft auferlegten Konventionen und bezahlte dafür einen hohen Preis. Aufgrund der patriarchalen Moralvorstellungen während Portugals Diktatur bis 1974 missachtet, fand ihr Werk erst danach gebührende Anerkennung. Am 8. Dezember 1894 in Vila Viçosa im südportugiesischen Alentejo als Flor Bela Lobo geboren, wuchs sie in höchst ungewöhnlichen Verhältnissen auf.
Als ihr Bruder Apeles 1927 ums Leben kam, verlor sie allen Halt und nahm sich an ihrem 36. Geburtstag am 8. Dezember 1930 das Leben. Florbela Espancas autobiografische Poesie steht für den weiblichen Aufbruch in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Unerschrocken, unersättlich, ungebändigt: alles – bloß nicht vage.

Das Buch
Handarbeiten und Haushalt – das war nichts für Florbela. Lesen wollte sie, immer nur lesen. So heißt es im Buch:
Im Gegensatz zu ihren Schulkameradinnen hatte Florbela keine Freundinnen und Freunde, trieb keinen Sport und tollte auch nicht im Pausenhof herum. Statt Kinderbücher las das Kind Hochliteratur. Wenn die Lehrerin sie zum Mitspielen animieren wollte, bekam sie zu Antwort: »Ich will lesen.«
Dass sie dazu die Gelegenheit bekam, war in mehrfacher Hinsicht nicht selbstverständlich. Frauen jener Zeit sollten den Haushalt führen und Kinder kriegen. Mehr war nicht erwünscht. Noch dazu, wenn sie aus der Arbeiterschicht stammten – so wie Florbelas Mutter. Antónia da Conceição Lobo kam als 14jähriges Dienstmädchen in das Haus des Antiquitätenhändlers und Fotografen João Maria Espanca und wurde von ihm schwanger. Da seine Ehefrau keine Kinder bekommen konnte, wurde Florbela in dem gutbürgerlichen Haushalt aufgezogen so wie später auch ihr drei Jahre jüngerer Bruder Apeles. Eine Situation, die Florbela teilweise belastete.
Aber sie konnte lesen:
Zudem hortete er [Espanca] einen umfassenden Schatz an klassischer Literatur: Originalausgaben portugiesischer Meisterromanciers wie José Maria Eça de Queiroz und dessen Familiensaga Die Maias, Camilo Castelo Brancos Amor de Perdição, »Das Verhängnis der Liebe« …
Am 11. November 1903 schrieb Florbela ihr allererstes Gedicht – und zwa während des Schul-Unterrichts an die Tafel. Sie war knapp neun Jahre alt. Von da an gehörte Schreiben ebenso wie Lesen unabänderlich zu ihrem Leben. Mit 14 Jahren besuchte sie die weiterführende das Nationale Lyzeums für humanistische Lehren in Evora. „Einladungen ins Caféhaus nahm Bela offenherzig an und dachte sich nichts dabei“, schreibt Catrin George Ponciano. Sie war allein unter Jungen, das einzige Mädchen am Lyzeum.
Man muss kein Hellseher sein, um den Sprengstoff dieser Lebenssituation zu erahnen. Sie war eine Außenseiterin, eine Frau, die ihre Rolle in einer Gesellschaft suchte, die von Männern dominiert wurde. Dass das Buch auch die gesellschaftliche und politische Situation jener Zeit beleuchtet, ist ein großes Plus. Die damaligen Verhältnisse in Portugal dürften den meisten deutschen Lesern weitgehend unbekannt sein.



Der weitere Lebensweg
Das weitere Leben von Florbela Espanca, wie sich die unehelich geborene später nannte, wird vom Verlag wie folgt skizziert: Ab 1915 veröffentlichte sie ihre Lyrik in Tageszeitungen und Literaturzeitschriften. Ihr erstes Buch, „Livro de Mágoas“ (Buch der Kümmernisse), erschien 1919, zwei weitere Sonettbände sollten 1923 und 1931 folgen.
Florbela Espanca heiratete 1913 ihre erste Liebe. Nachdem sie 1917 alleine in die Hauptstadt gezogen war, um Jura zu studieren, scheiterte die Ehe an ihrer unstillbaren Sehnsucht nach Leben und Liebe. Ihre zweite Ehe zerbrach wegen häuslicher Gewalt. Erst mit ihrem dritten Ehemann fand Florbela Espanca 1925 einen sie liebenden Freund und lebte fortan in Matosinhos bei Porto.
Die Veröffentlichung der Gedichtbände war allerdings nicht gleichbedeutend mit Anerkennung. Stets musste sie kämpfen. Um die Akzeptanz als Dichterin, um die Liebe der Männer. Einzig ihr Bruder war ihr stets eine wichtige Stütze. Man kann erahnen, wie viel Kraft sie das alles kostete.



Hintergrund
Das Geburtshaus von Florbela Espanca ist heute ein Museum. Hier konnte Autorin einige Tage verbringen. Es gibt eine sehr ausführliche und gut gemachte Webseite, leider nur auf Portugiesisch. Mit Hilfe des Google-Übersetzers lassen sich die Einträge schnell ins Deutsche übertragen. Leider sind die Formulierungen manchmal sehr blumig.
Der deutsche Eintrag von Wikipedia ist sehr kurz, der portugiesische ist umfangreicher. Insofern schließt das Buch von Catrin George Ponciano eine Lücke und vermittelt deutschen Lesern einen sehr stimmigen und tiefen Eindruck von dieser außergewöhnlichen Frau.
Autorin
Fazit
Kraftvoll , ungebändig, aber auch voller Selbstzweifel – das war Florbela. Auch für mich, die ich in den vergangenen fünf Jahren zeitweise in Portugal gelebt und viel über Land und Leute gelesen habe, bietet dieses Buch sehr viel Interessantes und Neues.
Großartig ist die Übersetzung der Gedichte. Deren Lektüre ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Aber sie runden diesen Lebensbericht auf besondere Weise ab.
Also: Eine empfehlenswerte Lektüre für alle, die die Geschichte außergewöhnlicher Frauen interessiert. Und für jene, die sich näher mit der portugiesischen Kulturszene beschäftigen möchten.
„Alles – bloß nicht vage“, Catrin George Ponciano
224 Seiten, 22 Euro, AvivA Verlag, VÖ 17. März 2025