Der Bau des NOK: Fiktion und Wirklichkeit ◾️

Vor 130 Jahren, am 21. Juni 1895, wurde der Nord-Ostsee-Kanal eröffnet. Das wird am heutigen Sonntag (6. Juli) noch in Brunsbüttel gefeiert. Dem Bau der Wasserstraße waren viele Jahre mit Verhandlungen und Planungen vorangegangen. Davon berichtet die Romanserie „Zwischen den Meeren“ von Lena Johannson. Und von Heinrich Hermann Dahlström, der als der Vater des Nord-Ostsee-Kanals gilt. Er war der wichtigste Initiator und Planer des Kaiser-Wilhelm-Kanals – was fast vergessen ist. Seine Urenkelin Merve Giebler hat alte Aufzeichnungen auf dem Dachboden gefunden und ruft die Verdienste des Hamburger Reeders in einem Buch in Erinnerung. Dies diente Lena Johannson als wichtige Quelle für ihre Roman-Trilogie über den Bau der Wasserstraße. Eine ihrer Romanfiguren ist die Dahlström-Tochter Mimi. Meehr-Lesen stellt Fiktion und Wirklichkeit in einer vierteiligen Serie vor.
- Teil 1: Mit Lena Johannson auf Spurensuche
- Teil 2: Dahlström alias „Kanalström“
- Teil 3: Dachbodenfund mit Folgen. Geschichte der Familie Dahlström



Die Schleusen in Kiel und Brunsbüttel waren wichtige Anlagen, ihre Konstruktion damals ein gewaltiges Projekt. In der Trilogie von Lena Johannson ist es Susanne (Sanne), die Tochter eines Zimmermanns aus Brunsbüttel, die maßgelblich daran mitarbeitet. Nicht direkt, denn Frauen waren auf der Baustelle nicht erwünscht.
Vor allem gab es in der Familie schließlich eine Tradition. Schon Sannes Ururgroßvater hatte zwei Schleusen für den Eider-Kanal konstruiert, ihr Großvater war in der Eisengießerei Carlshütte beschäftigt und hauptverantwortlich für die gusseisernen Portale an der Klappbrücke der Kluvensieker Schleuse gewesen. […]
Die Stillen, die was von ihrem Beruf verstanden, kamen nicht zum Zug, weil die großkotzigen Blender sich in den Vordergrund spielten. Und dann hatten sie nachher ’ne Schleuse, die nicht weit genug aufging, dass da auch ’n großer Pott reinpasste. Oder noch schlimmer: Ganz Schleswig-Holstein würde absaufen. Das konnte nämlich passieren, wenn die Herren Ingenieure Fehler machten. Davor hatte auch ihr Vater bannig Schiss.
[…] Hier, wo ihre Füße jetzt noch festen Boden unter sich hatten, würde es vielleicht bald keinen Strand mehr geben. So genau wusste sie nicht, wohin der Kanal kommen sollte, aber sicher war, er würde irgendwo hier in die Elbe fließen. Breit sollte der werden, auch der Dieksweg, den sie gekommen war, würde verschwinden.*

Die Schleusen
Der Schleusenbau war ein gewaltiger Einschnitt in das Land. Wenn man die heutige Anlage aus der Luft betrachtet, wird das besonders deutlich. Und doch: Die Schleusen sind alt. Sie müssen dringend saniert werden. „Um der boomenden Schifffahrt auf dem Nord-Ostsee-Kanal während der mehrjährigen lnstandsetzungsmaßnahmen eine reibungslose Schleusung zu ermöglichen, wurde der vorgezogene Bau einer weiteren (fünften) Schleusenkammer beschlossen“, so das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt. Die Bedeutung für die Wirtschaft ist groß.
Die Anlage in Brunsbüttel kann man nur mit einer Schleusenführung betreten. Dienstags, mittwochs, donnerstags, freitags und sonntags starten die Führungen um 14 Uhr und enden um circa 15.30 Uhr. Eine Anmeldung ist dafür nicht erforderlich. Die Besucher sollten nur etwa fünf Minuten vor dem Termin anwesend sein und auf die Ankündigungen direkt an der Schleuse, am „Atrium“ und auf www.schleuseninfo.de achten.
Feierlichkeiten
Brunsbüttel feiert das Kanal-Jubiläum auf dem Gustav-Meyer-Platz und in den umliegenden Straßen seit Freitag, 4. Juli. Auch am Sonntag gibt noch jede Menge buntes Programm, (Info-)Stände, Essen & Trinken sowie die Sonderveranstaltung „Brunsbüttel Beweg Dich“. (12 bis 18 Uhr)
Angeboten werden außerdem Führungen durch das Kanalmuseum „Atrium“

Museen am Kanal
Etliche Museen am Nord-Ostsee-Kanal erinnern an die Geschichte des gewaltigen Bauprojektes und zeigen die heutige Bedeutung auf. So hat Lena Johannson für ihre Roman-Trilogie in Hanerau-Hademarschen von Leiter Fritz Hermann Barnstedt viele wertvolle Hinweise erhalten und sagt von dem Museum: „Unbedingt ansehen“. In Sehestedt bietet eine kleine, aber feine Ausstellung Infos zum Kanal.
- Museen im Kulturzentrum Rendsburg, Dauerausstellung zum NOK
- Schifffahrtsarchiv Rendsburg, Rendsburger Schifffahrtsgeschichte
- Maritimes Viertel Kiel, Schleusenausstellung und mehr
- Kanalmuseum Atrium, Brunsbüttel
- Dorfmuseum Sehestedt, Kirchenweg 14 in Sehestedt, sonntags 14 bis 16 Uhr oder auf Anfrage
- Heimatmuseum Hanerau-Hademarschen, jeden ersten Sonntag im Monat 14 bis 17 Uhr

Sehestedt – das geteilte Dorf
Der Kanal bedeutete tiefgreifende Einschnitte in die Landschaft, aber auch in das Leben der Menschen. Wohl am einschneidendsten waren die Veränderungen in Sehestedt, denn das Dorf wurde in eine Nord- und eine Südhälfte gespalten. Eine Skizze des Museums Sehestedt verdeutlicht, wie viele Häuser dem Bau weichen mussten.
Die Villa „Ozeana“, das Kaufhaus Johannsen und die Gastwirtschaft Piehl – diese Häuser beziehungsweise ihre Überreste liegen seit 130 Jahr auf dem Grund des Kanals. 1970 erfolgten weitere Veränderungen, der Kanal wurde verbreitert.


Sehr eindrucksvoll verdeutlichen zwei Relief-Darstellungen die Veränderung. Auf dem oberen fällt es schwer, sich zu orientieren. Der Kanal fehlt. Auf dem unteren ist ein winziges Gebäude nahe der Kirche zu sehen. Dies war die Leichenhalle. Sie wurde abgerissen, als der Kanal verbreitert wurde. „Auf der Nord-Ost-Seite verlief unterhalb der Häuser am Kanal die Straße“, erläutert Alexandra Koop, Vorsitzende des Sehestedter Museumsvereins. Die gibt es nicht mehr. Stattdessen sind die Häuser jetzt über den Forstweg zu erreichen.
Immer wieder hört man in Gesprächen, was als mündliche Überlieferung auch in der Sehestedter Chronik verzeichnet ist: Dass die Wasserstraße eigentlich „vom Schirnauer See auf schnurgerader Strecke an Osterrade vorbei auf Königsförde zu geplant war“. Die damalige Gutsherrin von Osterrade soll alles darangesetzt haben, dass ihre Ländereien nicht zerschnitten werden. Das Ergebnis: Ein Kanal, der mitten durch ein Dorf führt.
In einer kleinen Umfrage wollte die gebürtiger Sehestedterin Alexandra Koop von den Einwohnern wissen: „Was ist gut und was ist schlecht am Kanal?“ Positiv sei „ein täglicher Spaziergang mit toller Aussicht“, gibt ein Bewohner zu Protokoll. Der „Mammutstau 2013, als die Rader Hochbrücke gesperrt war“, ist dagegen in negativer Erinnerung. Auch als Arbeitsplatz ist der Kanal von Bedeutung: „Mein Mann hat lange Jahre auf der Weiche gearbeitet, da haben ihn die Kinder besucht und im Kanal gebadet“, erinnert sich eine Sehestedterin positiv. Dumm für die Schüler der Südseite: Sie müssen früher aufstehen, weil der Schulbus vom Norden abfährt. Allerdings haben sie auch immer eine plausible Ausrede parat – die Wartezeit an der Fähre. Deutlich wird: Der Kanal trennt das Dorf zwar. Aber die Fähre verbindet es auch. Sie ist eine Art schwimmender Dorfplatz geworden.

Bücher
Sachbücher
- Wienke Anders Jensen: Die Geschichte des Nord-Ostsee-Kanals (erscheint im September)
- Dieter Wöhlk: Die Geschichte des Nord-Ostsee-Kanals. Das Jahrhundertbauwerk in Bildern (erscheint im Oktober)
- Dietrich Duppel, Martin Krieger: Nord-Ostsee-Kanal. Biografie einer Wasserstraße
- Klaus Albers: Der Traum vom Nord-Ostsee-Kanal
- Walter Schulz: Der Nord-Ostsee-Kanal. Eine Fotochronik der Baugeschichte
- Thomas Fröhling: Nord-Ostsee-Kanal. Von Brunsbüttel bis Kiel
- Werner Scharnweber: Nord-Ostsee-Kanal/Kiel Canal
Historische Romane
- Johannson: Band 1 Zwischen den Meeren
- Johannson: Band 2 Nach den Gezeiten
- Johannson: Band 3 Im Jahr der Flut
- Anja Marschall: Verrat am Kaiser-Wilhelm-Kanal
- Anja Marschall: Tod am Nord-Ostsee-Kanal
Krimi und Roman
- Arnd Rüskamp: Der letzte Kapit’n
- Arnd Rüskamp: Windstärke 10
- Kerstin Warschau: Kanalfeuer
- Kristine Bilkau: Nebenan
Aktiv und sehenswert
- Bürte Lachmann: Radeln am NOK
- Barbara Post, Stefan Lipsky: Am Nord-Ostsee-Kanal. Tourenbegleiter zwischen Brunsbüttel und Kiel
- Jochen Reiss: 111 Orte am Nord-Ostsee-Kanal
- Nord-Ostsee-Kanal-Route: Von Brunsbüttel nach Kiel mit dem Rad
- Sven und Andreas Heineke: 111 Orte in Dithmarschen
- Reinhard und Moritz Pelte: Lieblingsplätze zwischen Nord- und Ostsee
- Kotte, Habbe: Nord-Ostsee-Kanal. Begegnungen
Ausserdem
- Interview von Lena Johannson mit Merve Giebler
- Gespräch mit Lena Johannson beim Aufbau-Verlag
- Wer mit Lena Johannson in Kontakt treten möchte, dem sei ihre Webseite empfohlen. https://www.lena-johannson.de
- Auf Facebook und Instagram ist die Autorin nicht aktiv. Aber auf ihrem Kanal auf Youtube sind etliche Videos zu sehen, die sich mit der Kanal-Thematik beschäftigen
- Jährlich im September: Lichterfest NOK Romantika
- NDR über das Jubiläum
- Das Land SH zur Bedeutung des Kanals