Rezension – Sylvia Lott: Duftwickensommer

Bewertung: 4.5 von 5.

Anfangs habe ich mich ein wenig schwergetan. Dabei finde ich das Thema spannend, denn ich liebe Blumen. Und die ostfriesischen Inseln sind immer ein interessanter Spielort. Vor allem, wenn der Roman von Sylvia Lott stammt. Doch dann konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Verlagsinfo

England 1911: Ein Wettbewerb der Daily Mail um den schönsten Wickenstrauß euphorisiert das Land. Auch die junge Anni nimmt teil und träumt davon, mit dem Preisgeld die Welt zu bereisen. Lord John Ramsgate, verlobt mit der Tochter ihres Arbeitgebers, berichtet über den Contest. Immer wieder kreuzen sich ihre Wege … Borkum 2024: Marieke ist nun geschieden und in ein Insulanerhäuschen gezogen. Am Giebel prangt in altmodischer Schrift »Villa Cupani«. Von Nachbarin Alwine erfährt sie, was es damit auf sich hat – einst lebte hier eine Frau namens Anni, die in England ihre Liebe zu Duftwicken entdeckte.

Duftende Wicken

Bereits im vergangenen Jahr hatte ich überlegt, einen soliden und praktischen Gartenzaun durch Duftwicken zu verschönern. Aber dann war viel zu tun und der Zeitpunkt der Aussaat verpasst. Umso mehr reizte mich das Buch von Sylvia Lott. Und es hat mich nicht enttäuscht. „Cupani“ heißt die Villa, die sich Marieke nach der Scheidung gekauft hat. Und am Gartenzaun wachsen Wicken.

„Cupani […] hieß der sizilianische Mönch, der um 1700 herum als Erster wild wachsende Duftwicken botanisch erfasst und ihre Samen an Fachleute nach England geschickt hat. Das scheint mir kein Zufall zu sein. Diese Sorte sieht aus wie die nach dem Mönch benannte,“

… erklärt der Biologe Dr. Tibo Tammen, als er die Blumen bei Marieke sieht. Und dies ist nur eine von vielen locker eingestreuten Informationen über die Blumen. Tammen erwähnt einen Ratgeber aus dem Jahre 1909: „How to Grow Sweet Peas“. Ein Büchlein mit dem Titel „Sweet Peas And How To Grow Them“ aus diesem Jahre gibt es tatsächlich, von dem Autor Harry Higgott Thomas und über Amazon noch zu beziehen.

»Sweet Peas?«, wiederholte Marieke. »Süße Erbsen?«   »Ja, so heißen sie auf Englisch.«  »Nicht Lathyrus?« Sie wollte Dr. Tammen ein bisschen aufziehen.  »Das ist Lateinisch«, erwiderte er trocken.

Wie im Nachwort zu erfahren ist, verdankt Sylvia Lott verdankt ihre Informationen dem Buch „A Bunch of Sweet Peas“ von Henry Donald. Gerade bei historischen Themen finde ich es wichtig, wenn es ein erklärendes Nachwort gibt. Was ist wahr und was erfunden? Das gilt allerdings auch für die Gegenwart. Denn Sylvia Lott thematisiert aktuelle Themen – zum Beispiel Wassertornados und Demos gegen die Gasbohrungen vor Borkum. 

Ihr Protest richtete sich gegen die Gasbohrungen des niederländischen Konzerns One-Dyas in der Nordsee – dreiundzwanzig Kilometer nordwestlich von Borkum an der niederländisch-deutschen Grenze. Dadurch sahen sie das direkt angrenzende Weltnaturerbe Nationalpark Wattenmeer gefährdet. Seit Monaten schon wurde mit allen   juristischen Mitteln und viel hin und her um die Genehmigung dieses Erdgasprojektes.

Ebenso beschreibt etliche Borkumer Orte wie das Café Seeblick. Und – schließlich ist Tibo Tammen Biologe – die Fauna der Nordseeinsel. Übrigens alles gute Gründe, der Insel mal einen Besuch abzustatten. Ich kenne sie zum Beispiel noch nicht.

Darüber kommen Gefühle nicht zu kurz. Marieke ist nach der Scheidung erschöpft, schläft lange, ist nahe am Wasser gebaut. Sie ist übrigens Anfang vierzig, hat bereits zwei erwachsene Kinder. Ein großes Plus (ebenso wie beim Roman „Die Inselfrauen“), dass hier Frauen im Mittelpunkt stehen, die schon ein paar „Schrammen“ vom Leben abbekommen haben. 

Die Protagonistin Anfang des 20. Jahrhunderts ist dagegen noch jung – aber sehr selbstbewusst. Und sie erlebt den Kampf der Suffragetten hautnah mit. Bei dieser Gelegenheit habe ich festgestellt, dass ich über deren Engagement bisher so gut wie nichts wusste. Ja, der Begriff war mir geläufig, aber viel mehr nicht. 

Duftwicken, Gasbohrungen, Suffragetten – wie passt das zusammen, mag vielleicht mancher denken. Sylvia Lott hat es wunderbar zusammengefügt. Das Buch hat zwar die Blumen im Titel, aber schildert eindrucksvoll Frauenhistorie und gegenwärtige Strömungen. Ohne dabei den unterhaltenden Aspekt aus den Augen zu verlieren. 

Fazit

Eine gelungene Kombination von Einst und Jetzt mit zahlreichen interessanten Details und Infos – über Borkum, über die Suffragetten und über Duftwicken. Aber es sind fast ein bisschen zu viel Themen, darum ein halber Stern weniger. Auf jeden Fall ist  das Buch ist eine (Sommer)-Lektüre, die ich empfehlen kann (nicht nur, aber besonders Borkum-Urlaubern). 

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